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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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schweige.«
    Ein Schatten glitt über sie hinweg, als er seinen Hausmantel überwarf und mit lautlosen Schritten zur Tür eilte, die leise knackend hinter ihm ins Schloss fiel. Sie war allein.
    Wie im Halbschlaf ging sie zum Waschtisch und wusch sich. Im Schein der einzelnen Kerze sah sie erschrocken, dass die Innenseiten ihrer Schenkel blutbefleckt waren. Sie hatte doch nicht etwa ihre Tage zu einer ganz unerwarteten Zeit bekommen? Verwirrt wischte sie das Blut ab, trocknete sich ab und nahm ihr Nachthemd in Augenschein. O weh – auch das war fleckig. Sie hatte es einfach im Bett liegen lassen, als sie sich entblößte, und musste dann darauf gelegen haben. Rasch holte sie ein frisches aus dem Schrank und warf das andere in den Rattankorb im Winkel, aus dem die Magd die Schmutzwäsche zum Waschen holte. Dann ging sie schlafen.
    Fräulein Bertram erschien wie immer prompt, als Anna Lisa am Morgen nach ihr klingelte, aber sie kam nicht, um ihren Dienst anzutreten. Sie war voll angekleidet und trug ihr Köfferchen in der Hand.
    Anna Lisa starrte sie an. »Was ist denn los?«
    »Das wissen Sie so gut wie ich, Mevrouw«, antwortete Pia Bertram mit eisiger Stimme. »Unter den Umständen kann ich nicht länger in Ihren Diensten bleiben. Ich ersuche um sofortige Entlassung. Ich werde Sie nicht verraten, aber ich bin auch nicht gewillt, eine Lüge mitzutragen.«
    Der jungen Frau schoss das Blut in die Wangen. Einen Augenblick lang wurde ihr übel, sie musste sich am Frisiertisch festhalten. Wie hatte sie vergessen können, dass die Zofe im Nebenzimmer alles mitbekommen würde? Aber sie hatte ja an überhaupt nichts gedacht in dieser Nacht, war blindlings dem Rausch verfallen, wie ein Insekt in die Kanne einer Venusfalle torkelt und darin zugrunde geht. Ihre Kehle war wie ausgedörrt. Sie nickte nur, setzte dann zweimal an, um etwas zu sagen, aber die Zofe schnitt ihr das Wort ab.
    »Herr Setiawan wird dafür sorgen, dass man mich in die Stadt geleitet. Auf meinen restlichen Lohn verzichte ich. Sagen Sie dem gnädigen Herrn, was Sie wollen.« Damit drehte sie sich um und verließ den Raum.
    Anna Lisa stand mit weichen Knien auf. Das Haar offen und verwirrt, noch im Nachthemd öffnete sie den Schrank und langte mit zitternden Händen nach der Flasche mit dem Genever. Während sie ein Glas füllte, hörte sie durch das Holzgitter des Fensters Stimmen im Hof: Pia Bertram arrangierte mit Herrn Setiawan, dass man ihr ein Pferd lieh und ein Knecht sie in die Stadt begleitete.
    Der scharfe Wacholderschnaps brannte in Anna Lisas Kehle, und ihr wurde schwindlig, noch nie hatte sie auf nüchternen Magen ein Glas Genever getrunken. Das Zimmer drehte sich vor ihren Augen. Was hatte sie nur getan? Welcher Wahnsinn hatte sie überkommen? Wenn Simeon von ihrem Treuebruch erfuhr, würde das weitaus Schlimmeres zur Folge haben als nur die persönliche Tragödie zweier Eheleute. Es war unmöglich, dass er es einfach hinnahm. In Deutschland hätte er den Ehebrecher zum Duell fordern müssen. Sie hatte keine Ahnung, wie das auf Java war, aber das eine war ihr klar, dass ihr Mann in einem Kampf mit Raharjo den Kürzeren ziehen würde. Oder griffen die Behörden ein? Auf jeden Fall würde es einen fürchterlichen Skandal geben. Sie konnte sich hier nicht mehr blicken lassen, und die verdammten Telegrafenkabel würden dafür sorgen, dass ihr Schimpf und Schande bis nach Deutschland folgten.
    Anna Lisa sank auf einem Stuhl zusammen, halb ohnmächtig vor Aufregung und Verzweiflung, betäubt von dem ungewohnten Alkohol. Als die Tür leise geöffnet wurde, schreckte sie zusammen, überzeugt, Simeon würde hereinstürzen und Rechenschaft von ihr fordern, oder die göttliche Strafe würde sie auf andere Weise ereilen. Es war jedoch Setiawan, der eintrat, ein junges braunes Mädchen an der Seite.
    Mit unbewegtem Gesicht sagte er: »Mevrouw braucht eine neue Zofe. Dies ist Aninda, sie wird die Mevrouw bedienen.« Mit einer Handbewegung schickte er das Mädchen hinaus, den Wasserkrug zu füllen.
    Anna Lisa wusste, dass es das Dümmste war, was sie tun konnte, aber die Worte bahnten sich wie mit Gewalt ihren Weg. »Ist Herr Raharjo hier?«
    Setiawan zog die Augenbrauen hoch. »Der Gebieter wurde schon drei Tage nicht mehr im Hause gesehen, Mevrouw, er ist auch jetzt nicht hier. Seine Diener wissen nicht, wann er kommt. Sie wissen auch nicht, wo er jetzt ist.«
    »Schon drei Tage?«, wiederholte sie stupide. Der Genever begann jetzt ernsthaft zu wirken,

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