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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Eigenschaften.«
    »Warum beschäftigt Sie das so, mein Freund? Denken Sie lieber an die Freude, die Ihr Waffenhändler haben wird, wenn er alle die Geldbeutel sieht, und an die Jubelschreie Ihrer Männer.«
    »Ich denke daran«, erwiderte der Javaner. »Aber ich kann trotzdem nicht aufhören, über den Ursprung des Goldes nachzugrübeln. Suchte Wolkins nicht immer nach einer Goldader auf dem Grundstück?«
    »Gesucht hat er, das stimmt, er grub Löcher wie ein Hund, der seinen Knochen nicht mehr findet. Nur gefunden hat er nie etwas. Wie denn auch? Ich habe einmal mit einem Geologen gesprochen. Hier gibt es kein Gold. Zinn vielleicht, aber nicht genug, dass es den Abbau lohnte. Außerdem findet man in einer Mine kein gemünztes Gold.«
    Als der Javaner längere Zeit keine Antwort gab, fuhr der bärtige Mann fort: »Sie denken an die Schätze von Pajajaran, nicht wahr?«
    Der Jüngling nickte, ging aber nicht weiter auf die Frage ein.
    Sie ritten schweigend nebeneinanderher, bis sie den Fahrweg erreichten. Dort trennten sie sich. Obwohl ihre Bekanntschaft kein Geheimnis war und sie nicht verdächtig machte – es gab kaum jemanden, den der umtriebige Herr Raharjo nicht kannte –, hielten sie es für besser, in dieser Nacht nicht miteinander gesehen zu werden. Der bärtige Europäer bog in einen bergwärts führenden Pfad ab, der Javaner mit seinem Begleiter ritt noch eine Meile weiter, bis er an ein hübsches Landhaus kam.
    Wie alle Häuser in dem so häufig von schweren Regenfällen heimgesuchten Java stand es auf Stelzen – in diesem Fall mannshohen steinernen Säulen – und hatte ein steiles Dach, damit die Wassermassen rasch ablaufen konnten. Im Übrigen jedoch machte es einen beinahe europäischen Eindruck. Es war weiß getüncht und mit rosafarbenen Majolika-Ziegeln gedeckt, die Treppe führte auf einen gemauerten Arkadengang, der das gesamte Haus umrundete. Alle Fenster waren tagein, tagaus mit zierlichen hölzernen Gittern verschlossen, um die Affen fernzuhalten, die gern an allem menschlichen Komfort teilhatten und sich ungeniert an gedeckten Tischen bedienten, wenn sie ins Innere gelangen konnten.
    Der Hauswart hörte die Reiter kommen, eilte mit einer Laterne hinaus und erging sich, als er den Araberhengst des jungen Edelmannes erkannte, in unterwürfigen Begrüßungen. Sofort erschienen noch weitere Diener, die die Zügel des Pferdes ergriffen, die Packtasche abnahmen und den Hausherrn ins Innere geleiteten. Raharjos Page, ein Bürschchen von etwa zehn Jahren, stürmte freudig herbei. Er war gekränkt gewesen, dass man ihn auf den Ausflug in der Dämmerung nicht mitgenommen hatte, und bemühte sich nun mit verdoppeltem Eifer um seinen Herrn.
    Obwohl Dongdo all die schwere Arbeit getan hatte, war der junge javanische Adelige rechtschaffen müde. Ihm fielen beinahe die Augen zu, während er sich im Badezimmer nackt auf einem Hocker niederließ und das Vergnügen genoss, sich mit einem Schöpflöffel nach dem anderen voll kühlen, frischen Wassers aus der Zisterne übergießen zu lassen. Der Staub rann aus seinem Haar und von seiner zimtbraunen, im Licht der Deckenampel golden schimmernden Haut. Wie er da nackt saß und das Wasser von ihm abperlte, war er ein Jüngling von außergewöhnlicher Schönheit, sowohl nach den Maßstäben seiner eigenen Rasse als auch in den Augen vieler Europäer. Der Spitzname »Goldhähnchen« bedeutete durchaus, dass manche weiße Frau gern seine Henne gewesen wäre, obwohl eine solche Beziehung ein Skandal übelster Sorte gewesen wäre. Und er verfügte über ein unscheinbares, aber für jeden Javaner leicht lesbares körperliches Kennzeichen, das ihn zum Liebling seines Großvaters und dem Anführer leidenschaftlicher Patrioten gemacht hatte: Auf seinem Hinterkopf ringelte sich das schwarze Haar in einem doppelten Wirbel, und ein solcherart ausgezeichneter Kopf, so besagte eine ehrwürdige Tradition, war dazu bestimmt, eine Krone zu tragen. Die Schwärmer unter seinen Anhängern sahen in ihm einen vom Schicksal bestimmten Nachfolger des Prinzen Diponegoro.
    Als ein Enkel des Adhipati gehörte Raharjo zum hohen Adel des Landes. Er stammte aus einem Geschlecht, dessen Wurzeln bis in die graue Vorzeit der alten javanischen Imperien zurückreichten; einer seiner Vorfahren war der »Elefanten-General« gewesen, der Premierminister des mächtigen Reiches von Majapahit. Er hätte seinen Platz im Palast des Fürsten einnehmen können, wo auch seine beiden jungen Frauen

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