Die Träume der Libussa (German Edition)
Amsel. Doch Amseln und andere
Singvögel schliefen, sobald die Sonne untergangen war. Diese Erkenntnis
verstärkte seine Entschlossenheit, Gundolf zu folgen.
Dann hörte er
Laute, die nicht in den nächtlichen Wald gehörten. Den harten Klang von
Männerstimmen. Erschrocken blickte er sich um und erkannte erst nach einer
Weile mit Erleichterung, dass sie aus größerer Entfernung kamen. Mnata schlich
auf die Männer zu.
An einer lichten
Stelle im Wald konnte er die große Gestalt in der Kutte ausmachen. Sie stand
dicht vor einem Reiter, dessen Gesicht im Dunkeln nicht zu erkennen war. Beide
redeten miteinander in einer unverständlichen Sprache, deren Klang ihm Schauer
über den Rücken jagte, denn sie erinnerte ihn an die Hinrichtungen von Verden.
Gundolf
überreichte dem Reiter ein Stück Baumrinde, offenbar eine Botschaft. Dann nahm
Gundolf einen Beutel entgegen. Die Unterhaltung schien damit beendet, denn der
Reiter verschwand wieder im Dickicht der Bäume. Auch der Mönch schlug den
Rückweg ein.
Mnatas Hand mit
dem Ast zuckte, es wäre so einfach. Er könnte den großen, aber im Kampf
unerfahrenen Mann einfach von hinten überraschen. Ein harter Schlag auf den
Kopf müsste genügen, ihm das Bewusstsein zu rauben, und anschließend wäre es
ein Leichtes, den Mönch in sein christliches Totenreich zu schicken.
Er würde
nachsehen, was sich in dem Beutel befand, und diesen dann in den Fluss werfen.
Wenn man Gundolfs Leiche fand, gäbe es keinerlei Hinweise, wer ihn getötet
haben konnte. Nachts allein in den Wald zu gehen, war gefährlich, wie jeder
vernünftige Mensch wusste. Gundolf wäre einfach ein Opfer seines Leichtsinns
geworden. Lautlos wie eine Raubkatze schlich sich Mnata heran.
Da war ihm
plötzlich, als lege sich eine sanfte, aber kräftige Hand auf seinen Arm, die
ihn zwang, den Ast sinken zu lassen. Die Vorstellung, wie empört Libussa und
auch Scharka über einen so hinterhältigen Mord wären, lähmte seinen Körper. Vor
der Fürstin konnte er die Tat vielleicht verschweigen, doch ihre Tochter war
der wichtigste Mensch in seinem Leben geworden, sie würde bestimmt etwas ahnen.
Das Ungesagte würde zwischen ihnen stehen wie eine Mauer.
Er ließ den Ast
zu Boden fallen und wartete darauf, dass Gundolf sich umdrehte. Wenigstens
ausfragen konnte er ihn, eine Erklärung für dieses nächtliche Treffen mit einem
fränkischen Boten verlangen. Aber das Gehör des Mönchs war weniger fein als
seines, er bemerkte ihn nicht. Die Gestalt in der Kutte trat unbeirrt aus dem
Wald und eilte zur Festung hinauf.
Mnata begriff,
dass es vermutlich besser war, wenn sich der Mann in Sicherheit wähnte.
Einige Tage später trafen Händler
ein, ein buntes Gemisch aus Franken, Nordmännern und dunkelhäutigen Reisenden
aus der fernen Heimat Ibn Saids. Sie mussten unterwegs aufeinander getroffen
sein, denn Praha war mittlerweile eine bekannte Station auf den Handelsrouten.
Ihre Waren brachten Farbe und Abwechslung in die Festung, über der immer noch
Kroks Tod wie ein düsterer Schatten hing. Mnata sah, wie Premysl seine
geschnitzten Figuren gegen farbenprächtige Stoffe und kunstvoll verzierte
Gefäße für Libussa tauschte, die krank darniederlag. Er selbst hatte den
Händlern nichts anzubieten, denn ein Krieger besaß nur ein Pferd und seine
Waffen und wurde ansonsten in der Festung versorgt. Scharka konnte über die
Abgaben der Bauern an ihre Mutter verfügen, aber jetzt stand ihr nicht der Sinn
nach hübschem Tand. Libussas Zustand belastete sie mehr, als sie zugab. Mnata
schlenderte an Scharkas Seite durch das Getümmel, darum bemüht, ihr einen Weg
zu bahnen. Er sah Lidomir mit seiner Fränkin bei Verhandlungen mit einem
dunkelhäutigen Schmuckhändler. Radegunds Verlangen, sich herauszuputzen, war
durch die traurigen Ereignisse sichtlich ungetrübt. Dabei besaß sie bereits
mehr als genug Zierrat, um den viele der Mädchen in Praha sie beneideten. Die
Putzsucht der Fränkin stieß Mnata ab. Sie verbarg ihre natürliche Lebendigkeit
hinter einem maskenhaft geschmückten Äußeren.
Sie gingen weiter
zu einem Stand, wo Met ausgeschenkt wurde. Mnata erhielt einen Krug für sich
und Scharka, was ihm als Krieger zustand, und nippte geruhsam daran. Es war der
erste schöne Tag seit langer Zeit, und er konnte seine Sorgen für eine Weile
vergessen. Zumindest Vlasta hatte er bereits von dem verdächtigen Treffen
Gundolfs erzählt und fühlte sich seitdem etwas ruhiger. Libussa wollte er mit
diesem Wissen auf
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