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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Kazis
Tochter bei den rituellen Festen in die Arme gutaussehender Männer sank. Doch
er wusste, dass ein Wutanfall folgen würde, spräche er Vlasta jemals darauf an.
    Zu seinem
Erstaunen war es weitaus einfacher mit Scharka auszukommen, denn sie nahm
Gefühle als selbstverständlich hin. Seine anfänglichen Ängste, sie durch
unbedachte Grobheit zu verletzen, hatten sich als unnötig erwiesen. Scharka
verstand mehr, als er einem behüteten, von allen geliebten Mädchen zugetraut
hätte. Auch sein gelegentlicher Wunsch nach Einsamkeit verletzte sie nicht,
obwohl sie selbst fast immer von Menschen umgeben war.
    Jetzt war er an
den Fluss gegangen, um die Farbenpracht und Ruhe des anbrechenden Abends auf
sich wirken zu lassen. In den letzten Tagen verfolgten ihn seine Ängste wie
Schatten. Kroks Tod hatte ein tiefes Loch in seine Welt gerissen, und gleich
darauf war auch noch Libussa erkrankt. Diese Ereignisse hatten uralte, längst
vergessene Bilder in seiner Erinnerung wachgerufen: Der leblose Körper jener
Frau, die klein und dunkel war wie er selbst, mitten in der Tiefe des Waldes.
Ihre völlige Reglosigkeit, deren Bedeutung er damals nicht hatte begreifen
können.
    Der Tod war ein
unbesiegbarer Gegner. Er raffte die Menschen dahin und fügte den
Hinterbliebenen Wunden zu, die nach vielen Jahren immer noch schmerzten.
    Er befahl sich,
an Scharka zu denken. Libussa würde wohl wieder genesen, doch er musste damit
rechnen, dass sie diese Welt lange vor ihm verließ. Er galt als bester Krieger
seines Volkes und würde wohl in der Lage sein, die künftige Fürstin der
Behaimen, Scharka, vor Gefahren zu schützen.
    Doch die Hoffnung
konnte sich als trügerisch erweisen, das wusste er selbst. Tod und Verderben
konnten Wege einschlagen, die er mit seinem Schwert in der Hand nicht zu
sperren vermochte. Er sog die laue Luft in seine Lungen und spürte, wie sich
trotz allem Ruhe in ihm ausbreitete. Bei den Behaimen genoss er den Ruf, in
sich gekehrt und ausgeglichen zu sein. Manchmal flüsterten böse Zungen, das
läge an seiner Herkunft, denn den schrägäugigen Hunnen könne man keine
Gefühlsregung ansehen. Er hatte gelernt, solche Bemerkungen mit Gleichmut
hinzunehmen. Nun war er als Gefährte der zukünftigen Fürstin endgültig in
dieses Volk aufgenommen worden und brauchte keine Anfeindungen mehr zu
fürchten. Krok hatte sich ihn als zukünftigen Stammesführer gewünscht. Mnata
war nicht frei von Furcht, ob er dieser Aufgabe gewachsen wäre, doch
schmeichelte ihm die Anerkennung seines Ausbilders in der Kriegskunst. Das
Leben war viele Jahre lang gut zu ihm gewesen. Nun fragte er sich, wie lange
dieser Zustand noch anhalten würde.
    Das Wasser zog
ruhig an ihm vorbei, während die Dämmerung hereinbrach. Die Geräusche des
Waldes schienen dadurch lauter zu werden, und Mnata schloss die Augen. Er hatte
die ersten Jahre seines Lebens in Zelten verbracht und fürchtete die Wildnis
nur, wenn tatsächlich Gefahr drohte.
    Plötzlich vernahm
er Schritte. Mnata griff nach dem Schwert, doch dann erkannte den älteren
Mönch, der in seiner sackartigen Kutte den Pfad zum Fluss herunterkam. Egal,
welche Absichten Gundolf hegte, er war unbewaffnet und Mnata zweifelte nicht
daran, ihn mit bloßen Händen überwältigen zu können. Der Mann ging zielstrebig
weiter, ohne in Mnatas Richtung zu blicken, offenbar bemerkte er seine
Anwesenheit gar nicht. Unerwartet laut erklang der Ruf eines Vogels aus den
Tiefen des Waldes, und Gundolf wandte sich sogleich in diese Richtung.
    Ohne weiter zu
überlegen, duckte Mnata sich hinter die Büsche, die am Flussufer wuchsen. Er
sah die große Gestalt zwischen den Bäumen verschwinden und dachte, dass ein
Mann von Gundolfs Statur einen guten Krieger abgegeben hätte.
    Auf einmal
beunruhigte ihn dieser Gedanke. Er ließ das Schwert in den Büschen liegen, denn
es hätte ihn in seiner Beweglichkeit behindert. Nur mit einem dicken Ast
bewaffnet schlich er auf jene Stelle zu, wo der Wald den Mönch verschluckt
hatte. Seine Füße glitten geschmeidig über den Erdboden. Auch dies hatte er in
seiner Kindheit gelernt, als er kleine Tiere jagte, um seine Mutter mit
gebratenem Fleisch bei Kräften zu halten. Seine Augen suchten den Waldboden
nach Fußabdrücken ab, doch inzwischen war es vollständig dunkel geworden und
sie waren nur schwer zu finden. Mnata lauschte. Zweige knackten in seiner Nähe.
Der Schrei einer Eule zerriss die Stille.
    Der Vogel vor
einer Weile hatte anders geklungen. Eher wie eine

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