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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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die meisten Frauen. Ihr Aussehen täuscht, denn
Satan hat ihre verführerische Schönheit bewahrt. Trotzdem sind ihre Kinder bereits
erwachsen", beharrte Gundolf.
    Radegund holte
tief Luft. „Viele Frauen sterben jung im Kindbett. Überleben sie diese Gefahr,
können sie älter werden als die meisten Männer.“
    Auf einmal wollte
sie mit aller Kraft an diese Worte glauben. Die Vorstellung von Libussas Tod
beängstigte sie, als könnte dadurch ein Erdbeben ausgelöst werden, das die ihr
vertraute Welt in Praha zum Einsturz bringen würde. Sie wusste nicht, was
danach kommen sollte.
    „Wir werden
sehen", räumte Gundolf ein. „Doch der Tod dieser heidnischen Hure käme uns
sehr entgegen. Zunächst ist jetzt der alte Starrkopf gestorben, und ein
Nachfolger wird ernannt werden. Wir müssen herausfinden, wer das sein soll. Die
Ernennung wird eine Weile dauern, da die Fürstin dahinsiecht. In der Zwischenzeit
muss gehandelt werden. Frederik, wie weit bist du mit Vojen?“
    Der junge Mönch
senkte den Kopf. „Ich habe seine Nähe gesucht, wie du befohlen hast.
Tatsächlich schien er geschmeichelt. Er hat einen großen Drang, Wissen zu
erwerben, doch bei den Behaimen sind bestimmte Kenntnisse nur Frauen
zugänglich, was er als ungerecht empfindet. Darin musste ich ihm zustimmen.“
    „Ich habe
versprochen, ihm das Lesen und Schreiben beizubringen, damit er wie Lidomir
unsere gelehrten Schriften lesen kann. Er hat nie gewagt, Libussas Sohn um
Unterricht zu bitten. Vojen geht davon aus, dass niemand ihn leiden kann. Das
Erstaunliche daran ist, dass er sich dadurch wirklich unbeliebt macht, denn er
begegnet allen Menschen mit Misstrauen. Dabei kann er ein netter Kerl sein. Ich
würde ihm gern helfen. Jesus sagte, man solle seinen Nächsten lieben wie sich
selbst. Was bei diesem Gebot oft vergessen wird, denke ich manchmal, ist die
darin enthaltene Aufforderung, auch sich selbst zu lieben. Vielleicht kann ich
Vojen helfen, indem ich ihm vom christlichen Glauben erzähle, denn die Götter
seines Volkes bieten ihm keinen Trost.“
    Frederiks Augen
leuchteten begeistert angesichts der Aufgabe, die er sich gestellt hatte. Auf
Gundolfs Stirn waren Falten erschienen. Er schwieg länger als gewöhnlich.
    „Vojen leidet
unter der unnatürlichen Weiberherrschaft", fasste er schließlich Frederiks
Worte zusammen. „Und er sehnt sich nach Gelehrsamkeit. Ich selbst werde ihn
unterrichten. Sage ihm das, Junge, und mache ihm klar, dass ich ihm damit eine
Ehre erweise, da ich über mehr Wissen verfüge als du.“
    Radegund sah die
Empörung in Frederiks Augen. Sie wünschte einen Augenblick sehnsüchtig, der
junge Mönch würde aufbegehren, denn in diesem Fall hätte sie sich auf seine
Seite geschlagen. Doch er schwieg, und Gundolf ergriff wieder das Wort.
    „Nun, der
Schamane ist ein möglicher Verbündeter. Doch wichtiger wäre dieser
Kroatenfürst, der nun ebenfalls wieder in der Stadt weilt. Ich weiß, dass ich
ihn für mich gewinnen kann. Eitle Menschen sind leicht zu lenken.“
    Er erhob sich.
„Überlasst in Zukunft alles mir. Und du, Tochter Clothards, sieh zu, dass du
bald schwanger wirst. Du sollst den zukünftigen Fürsten der Behaimen gebären.“
    Als beide Mönche
ihre Kammer verlassen hatten, saß Radegund lange regungslos da. Am liebsten
hätte sie ihre Wut herausgeschrien und wäre zu Lidomir gelaufen, doch seine
Liebe war ein kostbares Geschenk des Schicksals gewesen. Sie durfte es nicht
opfern, nur um ihr eigenes Gewissen zu erleichtern.
    Doch dann dachte
sie daran, dass Gundolf Lidomir zum Fürsten machen würde, wenn Libussa tot war.
Scharka, die bisher vom Schicksal immer bevorzugt worden war, würde verlieren.
    Dieser Gedanke
ließ sie aus ihrer Starre erwachen. Sie ging hinaus, um sich unter die Bewohner
der Festung zu mischen, damit niemand ihr Verhalten verdächtig fand.
     
    Mnata saß am Ufer des Flusses und
beobachtete das langsame Sinken der Sonne, die den Wald und das Wasser in ein
goldenes Licht tauchte. Vlasta hatte oft über seine Vorliebe für
Sonnenuntergänge gespottet: „Wie weich und schwermütig das Herz unseres
tapferen Kriegers doch ist!“ Erst Kroks Tod hatte deutlich gemacht, dass auch
diese unerschrockene Kriegerin nicht ohne Gefühle war. Zudem ahnte Mnata ihr
tiefstes Geheimnis, das sie vermutlich sogar vor sich selbst verbarg. Jene
sehnsüchtigen, warmen Blicke, die sie manchmal der schönen Tschastawa zuwarf,
waren ihm nicht entgangen, ebenso wie ihr unglückliches Gesicht, wenn

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