Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
Panik ergriffen.
»Ich bin hier«, kam die Antwort. »Obwohl du mich jetzt nicht mehr brauchst.«
»Doch. Bitte bleib.«
Es kam keine Antwort, doch Gemma spürte seine beruhigende Anwesenheit immer noch neben sich und vertiefte sich in ihre Aufgabe. Auf Mousels Bitte legte sie dem Mädchen die Hand auf die Stirn, und sofort war sie umhüllt von einem brennenden Schmerz, der sie fast überwältigte. Das ist ihre schreckliche Welt, dachte sie entsetzt darüber, dass jemand so junges und unschuldiges mit einer solchen Tortur leben musste. Kein Wunder, dass sie sich von der Welt zurückgezogen hat.
Die Quelle der Krankheit des Mädchens brauchte nicht lange gesucht zu werden. Sie zog Gemmas Aufmerksamkeit unwiderstehlich auf sich, wütend darauf bedacht, sich ihren Angriffen zu widersetzen. Die Wucherung saß im Schädel, hinter dem rechten Auge des Kindes, ihr endgültiger Sieg stand unmittelbar bevor. Gemma sah sie als einen widerlich kalten, bösartigen Knoten, dessen einziger Zweck in der Unterwerfung jenes Wesens bestand, das diese teuflische Ausgeburt beherbergte.
Diesmal gab es keine einfachen Lösungen. Es war ein Kampf des Willens, und Gemma stürzte sich kopfüber hinein. Kurz darauf rang sie bereits mit ihrer Erschöpfung, und sie fragte sich, ob dies vielleicht über ihre Kräfte ging. Hilf mir, Cai.
»Versuch es weiter«, drängte er. »Nichts geht über deine Kräfte, solange du an dich glaubst.«
Irgendwo, in dieser anderen Welt, hielt ihr jemand eine Tasse an die Lippen. Sie schluckte instinktiv und spürte, wie ihr neue Kräfte wuchsen.
»Verschwinde!« beschimpfte sie den abscheulichen Tumor. »Ich werde deine Anwesenheit nicht länger dulden!«
Sie spürte, wie die innere Struktur der Wucherung ein wenig nachgab, und ließ sich diesen Vorteil im Gefühl des Sieges nicht mehr nehmen. Der Knoten begann sich aufzulösen, kehrte langsam wieder zu seiner alten Form zurück, aber sie verfolgte unnachgiebig jede Ranke, stellte sie und machte ihre Bösartigkeit zunichte. Instinktiv wusste sie, dass jedes andere Vorgehen ein neues Aufflackern der Krankheit provoziert hätte.
Endlich war sie zufrieden und zog sich zurück. Sie hob die Hand. Cai war nicht mehr bei ihr, und die Frage, wohin er wohl verschwunden sein mochte, war das letzte, an das sie sich erinnerte, bevor sie zusammenbrach.
»Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht wieder auf- wachen«, meinte Arden. Es sollte wie ein Scherz klingen, aber die Erleichterung stand ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben.
»Wie spät ist es?« fragte Gemma.
»Gleich Mittag. Du hast fünfzehn Stunden geschlafen.«
Es dauerte eine Weile, bis sie begriff.
»Das Mädchen«, begann sie, »geht es ihr gut?«
»Seit Sonnenaufgang läuft sie draußen herum, spielt und macht ebenso viel Krach wie die anderen Kinder«, antwortete Arden mit einem Schmunzeln. »Du bist jetzt anerkannte Wunderheilerin in Keld.«
Gemma lächelte. »Ich fühle mich schwach wie ein Baby«, sagte sie.
»Das überrascht mich nicht. Du hast drei Stunden gebraucht, um die Kleine zu heilen, und es sah nicht aus, als sei es leichte Arbeit gewesen.«
»Drei Stunden?« Gemma war erstaunt. Wo ist die Zeit geblieben?
»Ein paarmal wäre ich fast dazwischen gegangen«, fuhr Arden fort.
»Ich bin froh, dass du es nicht getan hast.«
»Ich auch.«
Er beugte sich vor und gab ihr einen zarten Kuss.
»Keine Bevorzugung«, kam es aus Mallorys Bett. »Hier ist noch eine Kranke, die einen Kuss möchte.«
»Du siehst schon viel besser aus«, meinte Arden, als er ihr den Gefallen tat und sie auf die Stirn küsste.
»Ich fühle mich auch schon besser. Wer würde das nicht, wenn eine berühmte Heilerin sich um einen kümmert. Gemma, das war phantastisch. Wie hast du das gemacht?«
»Ich habe wirklich keine Ahnung. Ich war allerdings nicht ganz alleine.«
»Du hast dich mit irgend jemandem besprochen, das steht fest. Und dabei ein paar sehr seltsame Dinge gesagt.« Arden grinste. »Aber das ist bei dir ja wohl normal.«
»Ich kann mich an fast nichts erinnern«, stellte Gemma fest.
»Hast du Hunger?«
Gemma war ausgehungert und machte das unmissverständlich klar.
»Gut, dann gehe ich los und organisiere eine Festmahlzeit«, versprach Arden, bereits auf dem Weg zur Tür. »Von jetzt an werden uns die Menschen von Keld wie Könige behandeln.« Er ging hinaus.
»Was ist daran so komisch?« wollte Mallory wissen.
An diesem Abend versammelte sich die gesamte Bevölkerung Kelds zu
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