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Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Titel: Die träumende Welt 01 - Der Traumstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Wylie
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seine Worte erinnern. Fast war es, als hätte er aus der Ferne über sie gewacht und sich wieder zurückgezogen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass es ihr gutging. Sie erwachte mit einem Lächeln.
    Die Sonne war bereits aufgegangen, als sie sich eilig anzog und einen Blick aus ihrer Tür riskierte. Muss ich auf die Glocke warten? überlegte sie. Ardens Erscheinen löste ihr Problem. Er winkte ihr vom Saal aus zu. Dort nahmen sie ein karges Frühstück zu sich - die Brüder waren schon seit einiger Zeit auf den Beinen -, bevor sie ihre Pferde holten und sich wieder auf den Weg machten. Als sie das Schweigen hinter sich gelassen hatten, das die Abtei umgab, fragte Gemma: »Wird hier überhaupt nicht gesprochen?«
    »Nur zu den Göttern«, erwiderte Arden, »und manchmal mit einem Händler oder Besuchern wie mir. Ich glaube, die Brüder, die in die Stadt gehen, um ihre Waren zu tauschen, bekommen eine spezielle Erlaubnis.«
    »Es ist unheimlich«, meinte Gemma und schauderte.
    »Sie wollen es so«, kommentierte Arden trocken. Er kramte in einer von Larks Satteltaschen und fischte eine kleine verkorkte Tonflasche heraus. »Das hier hat überhaupt nichts Unheimliches. Probier mal.« Er zog den Stöpsel heraus und reichte ihr die Flasche.
    Gemma schnupperte vorsichtig daran, rümpfte die Nase, dann legte sie den Kopf zurück und trank einen Schluck. Fast hätte sie sich verschluckt. Die brennende Flüssigkeit schien in der Kehle zu explodieren, und Tränen traten ihr in die Augen. Rasch gab sie Arden die Flasche zurück, und er nahm einen ordentlichen Schluck.
    »Gut, was?« meinte er.
    »Das verrate ich dir, wenn ich meine Kehle wieder spüre«, erwiderte Gemma heiser.
    »Trink noch etwas. Deine Kehle ist dann zwar immer noch gefühllos, aber es wird dich nicht mehr stören.« Arden grinste und rollte wild mit den Augen.
    »Nein, vielen Dank«, lachte Gemma. »Es ist zu früh am Morgen für mich.«
    »Du wirst es vielleicht noch brauchen.«
    »Wieso?«
    »Bei Einbruch der Dämmerung werden wir Newport erreichen. Die Stadt ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig.« Arden nahm noch einen Schluck.
    »Ist das klug?« wollte Gemma wissen.
    »Aber ja«, meinte Arden. »Nüchtern würde ich es wahrscheinlich nicht über mich bringen, diese Stadt zu betreten.«
    »Ist es so schlimm?«
    »Sagen wir mal so, es ist völlig anders als in der Abtei«, antwortete Arden und setzte die Flasche erneut an die Lippen. Dann zögerte er, schüttelte den Kopf, verstöpselte die Flasche wieder und steckte sie weg. »Bei den Göttern«, sagte er leise. »Du bist erst ein paar Tage hier, und schon hast du es geschafft, mir Schuldgefühle einzureden.«
    Die Stadt Great Newport war in der Tat sehr anders als alles, was Gemma bislang auf dem Südkontinent begegnet war. Ihre Stellung als Hauptstadt des Bezirkes Cleve verdankte sie eher der Vergangenheit als irgendwelchen ökonomischen oder geographischen Vorzügen. Vor Der Einebnung war sie ein wichtiges Handelszentrum gewesen, auf drei Seiten umgeben von fruchtbarem Land. Ein tiefer Fluss war mitten durch die Stadt geflossen und weiter bis zum großen Meer im Norden. Jetzt hatte sich alles verändert. Der Fluss war nicht mehr als ein Rinnsal, und nur ein kleines Gebiet südlich der Stadtmauern konnte als gutes Ackerland bezeichnet werden. Nahrungsmittel mussten aus den größeren und wohlhabenderen Städten im Osten und im Westen längs der Küstenstraße eingeführt werden. Das Binnenland zu beiden Seiten bestand aus Wüste.
    Arden behauptete sogar, der Name der Stadt sei in jeder Hinsicht unpassend: Nur ein vollkommen dem Wahn Verfallener hätte sie als groß bezeichnen können - es sei denn, was das Ausmaß des Elends anbetraf; und ganz bestimmt war sie nicht neu - es sei denn, man meinte die endlose Vielfalt des Lasters, der man dort begegnen konnte. Außerdem war sie seit Der Einebnung längst kein Hafen mehr, da sie sechs Meilen von der Küste entfernt lag.
    In den vielen Jahren ihrer Herrschaft war die Stadt süchtig nach Macht geworden, doch seit Der Einebnung konnte sie kaum noch ihren Anspruch auf Vorherrschaft untermauern. Als Folge davon, behauptete Arden, waren die Leute, die die Macht ausgeübt hatten, gerissen und gewalttätig geworden. An der Spitze der Hierarchie von Great Newport stand der Oberlord der Stadt, der gleichzeitig seinen offiziellen Titeln zufolge Herrscher der Provinz Cleve, Oberster Handelsminister und Oberkommandeur von Heer und Marine war.
    »Mich würde es

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