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Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Titel: Die träumende Welt 01 - Der Traumstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Wylie
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nicht einmal überraschen, wenn er mittlerweile behaupten würde, in direkter Folge von den Göttern abzustammen«, meinte Arden angewidert.
    »Wie heißt er denn?« fragte Gemma und überlegte, was ihr Begleiter wohl von den Königshäusern ihrer Heimatinseln gehalten hätte.
    »Hilger war der letzte Name, den ich gehört habe«, antwortete Arden. »Aber das war vor einem Jahr. Durchaus möglich, dass Lord Hilger mittlerweile ausgewechselt wurde.«
    »Ausgewechselt? Wie das?«
    »Theoretisch wird der Oberlord alle drei Jahre von der Handelsgilde gewählt. In der Praxis hat sich dieses Verfahren jedoch als zu umständlich erwiesen, daher neigt man zu Abkürzungen.« Arden hielt inne. »Seit dem Austrocknen des Flusses hat es hier Probleme ohne Ende gegeben«, fügte er gutgelaunt hinzu.
    »Wieso?« fragte Gemma, obwohl sie die Antwort bereits erraten hatte.
    »Wohin mit den Leichen?« antwortete er. »Die Leute sind nur schwer davon zu überzeugen, dass ein Oberlord in einem Fluss, kaum tiefer als eine Pfütze, ertrunken sein soll.«
    »Du machst Spaß, oder?«
    »Nein. Oberlords kommen und gehen. Nur die Macht der Gilde hat Bestand. Das wirst du bald mit eigenen Augen sehen.«
    Ardens Prophezeiung erwies sich tatsächlich als richtig. Am späten Nachmittag kamen die Stadtmauern von Great Newport in Sicht. Sie waren aus dem gleichen grauen Gestein wie die Abtei errichtet, doch das wäre Gemma niemals aufgefallen. Mauern und Türme waren mit allen möglichen Rückständen in Grün, Schwarz und Braun übersät. Außerdem wurde sie zum Teil von einer behelfsmäßigen Barackenstadt verdeckt, aus der immerfort Rauch und Dampf aufstieg und die sich eng um die Stadt legte.
    Arden und Gemma wurden auf der Straße von vier berittenen Soldaten in Empfang genommen, deren Rüstung und Waffen in der Sonne blinkten. Der Anführer betrachtete sie argwöhnisch.
    »Sie wollen in die Stadt?« fragte er. Seine Stimme war kalt.
    Gemma hatte erwartet, Arden würde mit der ihm eigenen Schnodderigkeit antworten, statt dessen war seine Reaktion sachlich und voller Respekt.
    »Ja, Captain. Mit Ihrer Erlaubnis.«
    »Wollen Sie eine Eskorte?«
    »Ja, vielen Dank.«
    Der Soldat gab seinen Leuten ein Zeichen, und sie bezogen ihre Positionen zu beiden Seiten der Neuangekommenen, bevor sie sich gemessenen Schritts in Bewegung setzten.
    »Ist das wirklich nötig?« flüsterte Gemma.
    Arden nickte und legte einen Finger an die Lippen.
    Der letzte Teil ihres Ritts war entnervend. Die dürftigen Holzhütten am Straßenrand verströmten tiefste Armut und Hoffnungslosigkeit. Einige der Bewohner der Barackensiedlung verfolgten, wie die Reisenden vorbeiritten. Der Unmut brannte in ihren Augen. Nackte Kinder kamen mit flehend erhobenen Händen auf sie zugesprungen, bevor ihre Müttern sie zurückrissen.
    Die Soldaten schwiegen voller Hochmut; ihre makellosen Uniformen und die gepflegten, wohlgenährten Pferde standen in scharfem Gegensatz zu den zerlumpten Menschen überall. Gemma betrachtete voller Entsetzen die elenden Bedingungen, unter denen die Schaulustigen hausten, und sah die dumpfe Feindseligkeit in ihren Blicken. Die Ungerechtigkeit und Hässlichkeit ringsum erzürnte sie und widerte sie an, trotzdem konnte sie nicht anders, sie war erleichtert, als sie endlich das Stadttor erreichten.
    Sie hielten, der Captain drehte sich zu Arden um und streckte die Hand aus, Handfläche nach oben. Der Reisende nahm wortlos vier Münzen aus seinem Beutel und gab sie ihm. Der Soldat rührte sich nicht, doch sein Blick zuckte kurz hinüber zu Gemma, und ein dünnes, grausames Lächeln spielte um seinen Mund. Arden gab ihm zwei weitere Münzen, woraufhin er ohne ein weiteres Wort davonritt. Die anderen Soldaten folgten ihm.
    »Es ist teurer geworden«, brummte Arden. Gemma hörte die verhaltene Wut in seinen Worten und dachte: Er hasst das alles. Es war ein weiterer Beweis dafür - als ob sie den noch brauchte -, wieviel das Tal ihm bedeutete.
    »Bleib auf dem Pferd«, befahl Arden. »Überlass das Reden mir.« Er stieg ab und hämmerte gegen das hölzerne Tor. Ein schmaler Schieber wurde zurückgezogen und ein anonymes Augenpaar musterte sie von drinnen. Das Tor wurde geöffnet, und Arden führte die beiden Pferde hinein, dann half er Gemma beim Absteigen. Als das Tor sich hinter ihnen schloss, erschien ein weiterer Soldat. Seine Uniform war weniger schmuckvoll als die der Kavallerie, doch sein Abzeichen trug dasselbe Emblem, eine Waage im Gleichgewicht. Gemma

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