Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
sehr gut.«
»Du hättest mich wenigstens warnen können«, warf sie ihm vor. »Gut, dass ich einige Erfahrung darin habe, meine Gefühle zu verbergen.«
»Ich dachte, du vertraust mir«, sagte er schlicht und breitete die Arme aus.
Gemma hatte nicht die Absicht, sich beschwatzen zu lassen. »Ich habe keine Wahl«, sagte sie. »Du kennst dich hier aus. Ich nicht. Warst du schon oft hier?«
»So selten wie möglich. Vielleicht vier-, fünfmal.«
»Wer sind die Leute draußen?«
»Das sind die, die zu wenig Geld haben, um die Stadt zu betreten oder drinnen zu überleben. Die Opfer des Systems, könnte man sagen.«
»Kein Wunder, dass sie uns so angesehen haben.« Gemma schauderte, als sie daran dachte. »Allmählich bin ich der gleichen Meinung wie du, was diesen Ort anbetrifft.«
»Mit Hilger hatte ich auch recht«, meinte Arden. »Er hat nicht lange überlebt.«
»Kennst du diesen Lord Lunkett?«
»Nur vom Hörensagen.«
»Und?«
»Sagen wir mal so ... würde er unbewaffnet in einem Sumpf voller Alligatoren landen, täten mir die Tiere leid.«
Gemma hatte keine Ahnung, was Alligatoren waren, trotzdem verstand sie recht gut, worauf Arden hinauswollte.
»Reichen drei Tage, um ihn zu überzeugen?«
Arden musste lachen. »Ausgeschlossen! Es ist unwahrscheinlich, dass wir den mächtigen Oberlord überhaupt zu sehen kriegen. Sollte es uns dank irgendeines Wunders gelingen, uns durch das Dickicht aus Bürokratie und Militär hindurchzuwinden, das ihn umgibt, wird das mindestens einen Monat dauern.«
»Wie willst du denn ...«
»Der Drei-Tage-Pass war reine Formsache. Wenn die Patrouille uns aufgreift, wird sie uns natürlich rausschmeißen, aber das ist nicht wahrscheinlich. Außerdem erwartet niemand, dass wir zur Torwache zurückgehen.«
»Aber -«
»Sollten wir - was die Götter verhüten mögen - tatsächlich bleiben wollen, wird uns die Stadt so lange dulden, wie wir nützlich sind. Danach ...«
»Wie hältst du das nur aus?« fragte Gemma, die völlig verwirrt und verzweifelt war.
»Indem ich eins nicht vergesse: Wenn wir tatsächlich Erfolg haben, heiligt der Zweck die Mittel«, gab er freimütig zu. »Wir werden am Schuldgericht eine Anhörung beantragen. Mit ein bisschen Glück erreichen wir vielleicht etwas.« Die Hoffnung in seinen Worten spiegelte sich in seinen Augen nicht wider, trotzdem schaffte er es zu lächeln. »Komm. Wir müssen etwas finden, das nicht gleich in den ersten beiden Nächten unseren gesamten Besitz verschlingt.«
»Wenn du kein Geld mehr hast, kannst du ja immer noch deine Frau verkaufen«, meinte Gemma.
»Dazu müsste ich dich erst ein wenig mästen«, sagte er.
14 . KAPITEL
Anfangs war Gemma mit der Rolle zufrieden, die Arden ihr zugedacht hatte, und verbrachte den größten Teil ihrer Zeit im Gastraum. Als kränkelnde und schwangere Gattin war ihr von den Frauen im Lokal reichlich Zuwendung und Mitgefühl sicher. Als Folge davon aß sie gut und schlief viel - in einem der beiden Einzelbetten, denn ihre ehelichen Pflichten gingen nicht so weit, dass sie mit ihrem >Mann< das Lager teilen musste -, und allmählich gewann sie ihre alte ausgezeichnete Gesundheit zurück.
Arden ging inzwischen jeden Tag dem rätselhaften Geschäft nach, der Forderung des Tales Nachdruck zu ver leihen. Die Angelegenheit war ihm offenkundig zuwider, selbst mit Gemma sprach er nicht gerne darüber. Sie bekam nichts weiter aus ihm heraus, als dass er Kontakte knüpfte, den einen überredete, ihn mit dem nächsten in Verbindung zu bringen, und dieser wiederum stellte ihn einem anderen vor und so weiter. Es war eine langwierige, mühselige Prozedur, und Gemmas Hochachtung vor ihrem Begleiter wuchs mit seiner Beharrlichkeit.
Größtenteils jedoch verbrachten sie ihre gemeinsame Zeit mit Zerstreuungen - sie unterhielten sich, lasen, spielten Brettspiele und machten gelegentlich einen Spaziergang oder tranken etwas im Gastraum der Taverne. Gemma wusste, dass dieser Mann, der zu solchen Gelegenheiten mit ihr scherzte und lachte, der eigentliche Arden war, und sie erkannte, wie wichtig solche Augenblicke für ihn waren, damit er bei Verstand blieb und weitermachen konnte. Dunkel war sie sich auch bewusst, dass ihre Anwesenheit ihm eine Hilfe war.
Nach ein paar Tagen jedoch empfand Gemma diese passive Unterstützung als lästig. Mit ihrer körperlichen Gesundheit kehrte auch die ihr vertraute Unruhe zurück. Das Verlangen, weiterzuziehen, und ihr ständiges Eingesperrtsein führten bald dazu,
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