Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
Wettstreiter gegenüber Arden deutlich favorisiert wurden. Während sie die Spieler beobachtete, stellte sie fest, dass sie zum Ziel etlicher argwöhnischer Blicke geworden war, und ging eilig weiter, um sich einen günstigen Aussichtspunkt zu suchen. Anschließend kaufte sie einen Obstkuchen von einem fliegenden Händler und wartete, nachdenklich kauend.
Sie wünschte, Arden hätte ihr mehr Zeit gelassen, Jordan zuzuhören. Als sie in die Bar hatte zurückkehren können, war der dunkelhäutige Mann verschwunden - offenbar, um sich ein dankbareres Publikum zu suchen. Seine Geschichten hatten Gemma fasziniert und ihr gleichzeitig Angst gemacht. Sie spürte, dass die seltsamen Geschehnisse, die er beschrieben hatte, etwas mit ihrem Wunsch zu tun hatten, nach Süden zu reisen. Wie auch immer, Arden wollte von ihrer Theorie nichts wissen und bestand darauf, Jordan sei lediglich einer der vielen Irren dieser verfluchten Stadt.
»Bei der Anhörung wirst du wahrscheinlich noch mehr von diesem Unsinn hören«, hatte er gesagt. »Gewöhnlich ist hier einer unter vieren ein Irrer.« Als Gemma nachhaken wollte, hatte er sich geweigert, dies näher zu erklären, und meinte nur, er brauche Zeit, um in Ruhe nachzudenken und sich ausruhen zu können. Gemma hatte ihm widerstrebend den Gefallen getan. Auch sie hatte einige Stunden nicht schlafen können.
Gleich werde ich es wissen, dachte sie, als die Menge verstummte.
Ein Sprecher in der Livree eines Gildebeamten trat hinaus aufs Podium, gefolgt von zwei Dienern mit zwei großen Waagschalen aus Metall. Diese stellten sie auf einem Steintisch ab, dann zogen sie sich zurück. Der Sprecher sprach mit klarer, befehlsgewohnter Stimme, doch sein Auftreten verriet, je schneller dieses unbedeutende Ritual vorbei war, desto besser.
»Herbei ihr alle, die ihr Gerechtigkeit sucht! Im Namen von Lord Lunkett und kraft der Gilde von Great Newport gebe ich hiermit bekannt, dass die Richter Quillian, Medora, Warmond, Zared und Mayer den Vorsitz führen werden. Herbei! Die Schalen werden Gerechtigkeit üben.«
Damit zog er sich zurück. Fünf Richter in feierlichem Gewand kamen nacheinander die Stufen hinauf und gingen unter Applaus und Pfiffen zu ihren Plätzen. Zwei der Richter winkten lächelnd in die Menge, die anderen jedoch behielten ihren feierlichen Ausdruck bei. Nachdem sie sich gesetzt hatten, legte jeder von ihnen einen seltsam geformten Stein auf den Tisch vor ihnen. Gemma konnte nicht genau erkennen, um was es sich handelte, aber die Steine waren bald vergessen, als auf ein Signal der Richter die beiden ersten Wettstreiter auf die Plattform geführt wurden. Der Lärm auf dem Platz legte sich, und man gab dem ersten Sprecher das Zeichen, anzufangen.
Nach seiner Kleidung zu urteilen hielt Gemma ihn für einen Matrosen, und zwar einen, der, wie seine Anspannung verriet, an die Hektik der Stadt kaum gewöhnt war. Er begann. zögernd und murmelte in seinen Bart, bis ihn einer der Richter aufforderte, lauter zu sprechen.
Zur Richterbank gewandt, begann er von neuem.
»Meine Herren, ich bin nur ein einfacher Fischer.«
»Das sehen wir!« rief jemand aus der Menge, und kurze Zeit flackerte vereinzelt Gelächter auf. Gemma erwartete, die Unterbrechung würde den Fischer noch weiter einschüchtern, musste jedoch feststellen, dass sie ihn falsch eingeschätzt hatte. Er versuchte, sich Gehör zu verschaffen, dabei wurde seine Stimme lauter, seine Entschlossenheit wuchs. Er blickte abwechselnd auf die Richter und in die Menge und sprach mit aufrichtiger Leidenschaft.
»Jawohl, ein Fischer, und nicht einmal ein schlechter. Wie alle aus unserem Dorf.«
»Das haben wir schon gerochen!« brüllte ein Zwischenrufer. Der Wettstreiter fuhr unbeirrt fort, musste fast brüllen, um sich gegen die Unruhe durchzusetzen.
»Aber ein Unglück ist über uns gekommen. Wir können unsere Kinder nicht mehr ernähren. Die Fische haben uns verlassen.«
Das brachte ihm den nächsten Lacher ein. Gemma sah jedoch, dass er nicht bereit war, sich aufhalten zu lassen.
»Und warum?« beklagte sich der Mann. »Wegen dieser verfluchten Insel, deswegen. An einem Tag ist sie da, am nächsten ist sie verschwunden. Das ist unnatürlich, und das muss aufhören!« donnerte er und hatte offensichtlich Mühe, sich wieder zu beherrschen. Als er sich den Richtern zuwandte, entstand in der Menge ein aufgeregtes Gemurmel. Die Sache wurde interessant. Eine ganze Menge Leute hatten inzwischen Geld auf den Auftritt des Fischers
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