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Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Titel: Die träumende Welt 01 - Der Traumstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Wylie
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tatsächlich so weit.« Lächelnd verfolgte er die Reaktion der Menge.
    Sein Entschluss entsprach offensichtlich einer Vorverurteilung, trotzdem fand Gemma das Vorgehen faszinierend. Die Richter traten einer nach dem anderen vor, nahmen die geschnitzten Steinobjekte vom Tisch und legte sie jeweils in einer der Waagschalen. Vier gingen auf die Seite des Fischers, und die Waage neigte sich eindeutig zu seinen Gunsten. Lächelnd und winkend kam er die Treppe hinab.
    Zu weiteren Mutmaßungen blieb ihr keine Zeit, denn die nächsten Wettstreiter erklommen bereits die Stufen zu ihren jeweiligen Plattformen. Ardens Anblick schnürte Gemma den Magen zusammen - er wirkte vor dieser Menschenmenge so winzig. Würden sie ihn ebenso auslachen wie den irren Bäcker? Sie sah zu Ardens Gegner hinüber und stellte überrascht fest, dass er in fließende blaue Gewänder gekleidet war. Dann begann Arden zu sprechen, und sie drehte sich wieder zu ihm um.
    »Mein Name ist Arden. Ich habe kein Zuhause.« Seine Stimme war tief und wohlklingend, und in der Menge entstand beifälliges Gemurmel. »Meine Herren, meine Freunde, ich trete vor euch, um für ein Dorf in den Bergen weit im Südosten zu bitten. Nein, bitte, wendet euch nicht ab! Es liegt zwar weit entfernt, und doch ist dieses Dorf für uns alle von Bedeutung. Es ist ein Ort der Magie.«
    Gemma bekam große Augen. Sie war so konsterniert, dass ihr Gehirn sich gegen jeden zusammenhängenden Gedanken sträubte. Sie konnte nichts tun, als zuzusehen und zuzuhören. Arden fuhr fort, seine überzeugenden Worte hallten über den Platz.
    »Es handelt sich um einen so wundervollen Ort, dass ich mich selbst nicht würdig finde, dort zu leben. Ich kann nur zu Besuch kommen, wenn das Tal es mir erlaubt.«
    Gemurmel in der Menge. Etwas Derartiges hatten sie noch nicht gehört. Niemand wagte einen Zwischenruf.
    »Und doch braucht dieses Dorf unsere Hilfe. Denn es liegt im Sterben, und wenn das geschieht, wird unsere Welt ärmer sein. Ich will euch erzählen, warum.« Arden ließ den Blick über die Versammlung schweifen.
    Er beherrscht das meisterlich, dachte Gemma. Sie fressen ihm aus der Hand. Was mag dieser Mann noch alles an Überraschungen für mich auf Lager haben? Dann hatten Ardens Worte auch sie ergriffen. Er erzählte von der Schönheit des Tales, von der Gesundheit und Langlebigkeit seiner Bewohner, von ihrem arbeitsreichen und doch ruhigen Leben, am meisten jedoch von ihrer Nähe, ihrer Fähigkeit, alles Wissen auf eine Weise zu teilen, die alle Arten normalen Austausches überstieg. Er malte ein so lebendiges Gemälde, dass Gemma dachte, es mit eigenen Augen gesehen zu haben, und sich selbst an diesen Ort zurücksehnte. Offenbar war sie nicht die einzige, die so empfand, denn im Publikum war es ungewöhnlich still, lediglich ein Seufzer oder manchmal eine geflüsterte Randbemerkung kommentierten einen neuen Gesichtspunkt aus Ardens Erzählung.
    Als er schließlich zum Ende kam, entstand ein erwartungsvolles Schweigen, so dass alle deutlich die formelle Frage des Richters hören konnten. Arden, ein wenig zusammengesunken, so als hätte ihn sein Vortrag erschöpft, richtete sich auf und wollte antworten.
    »Meine Bitte lautet: Man möge die Möglichkeiten von Great Newport dazu benutzen, wieder Wasser in das Tal zu bringen. Es gibt viele Möglichkeiten, das zu erreichen. Und die Menschen aus dem Tal haben im Gegenzug eine Menge zu bieten.« Er wartete. »Die Magie lässt nach. Bewahren wir sie für sie. Für mich. Für uns alle.«
    Bei den letzten Worten klang seine Stimme matt, als wären seine Kräfte sämtlich aufgebraucht. Stille legte sich über den Platz des Collosseums.
    Gemma hatte einen Kloß in der Kehle. Das ist verkehrt, dachte sie, als sie die wachsende Unschlüssigkeit spürte, Arden die Antwort zu geben, die er so dringend brauchte. Was hält sie zurück? Tu doch etwas! befahl sie sich. Vielleicht, wenn ich anfange, begeistert zu rufen ... Aber sie brachte es nicht fertig. Derselbe Zauber hielt sie in seinem Bann, der auch die Bürger von Great Newport lähmte.
    Gemma sah, wie die Richter sich unsicher berieten. Sie wissen genausowenig wie ich, was hier gespielt wird.
    Dann unterbrach ein fernes, klagendes Rufen die Stille. Wie viele andere aus der Menge hob Gemma den Kopf und erblickte einen Schwarm Gänse, der hoch oben über ihren Köpfen dahinzog. Sie flogen in perfekter Formation - eine Pfeilspitze, die nach Norden zeigte. Noch aus der Ferne spürte sie ihre

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