Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
Quieken«, antwortete Gemma. »Hast du es nicht gehört?«
»Nein.« Er war verwirrt, sagte aber nur: »Jetzt können wir die Richtung wieder ändern. Wir werden in Kürze hinter ihnen sein, dann können wir uns etwas erholen.«
Gemma beugte sich vor und fuhr mit der Hand durch Mischas Mähne. »Danke, dass du uns gewarnt hast«, sagte sie leise. Das Pferd neigte leicht den Kopf.
»Das bedeutet >bitte<«, meinte Arden lachend. »Die beiden waren nicht gerade scharf darauf, dort zu bleiben.«
Sie schlugen erneut ihr Lager auf, doch es dauerte eine Weile, bis sie einschliefen, obwohl Arden wiederholt versicherte, dass sie nach dem Abzug der Skorpione vollkommen sicher seien. Sie schreckten jedesmal hoch, wenn die Pferde stampften oder schnauften.
In dieser Nacht passierte jedoch nichts mehr, und am Morgen brachen sie zur Durchquerung der Wüste auf. Am späten Nachmittag des nächsten Tages entdeckte Arden den Monolithen. Er zeigte ihn Gemma und meinte: »Das bedeutet, wir haben die Hälfte hinter uns und sind genau auf dem richtigen Kurs.«
»Wieso kannst du so genau den Kurs halten?« fragte sie mit Blick auf die nichtssagende Landschaft ringsum.
»Durch die Sonne - auch durch die Sterne, solange man sie sehen kann«, antwortete er. »Aber zum größten Teil dank meines Naturtalents.«
»Wie ich sehe, macht sich deine alte Bescheidenheit wieder bemerkbar«, meinte sie grinsend.
»Ich bin hier ebenso zu Hause wie überall sonst«, bemerkte Arden. Er klang ernst. »Hier draußen verstehe ich das Leben. Was wichtig ist und was nicht.«
»Wohingegen du in der Stadt nur ein armer, verwirrter Junge vom Land bist«, sprach Gemma den Satz für ihn zu Ende.
»Soweit würde ich nicht gehen«, gab er grinsend zurück. »Sollen wir heute unser Nachtlager in der Nähe des Monolithen aufschlagen - im Gedenken an alte Zeiten?«
»Ja«, antwortete sie sofort, froh darüber, dass er es zuerst vorgeschlagen hatte. Arden war zu sehr mit der Erinnerung an ihre erste Begegnung beschäftigt, um ihre Begeisterung zu bemerken. Irgendetwas an seiner Stimmung berührte Gemma, und nach ein paar Augenblicken des Schweigens meinte sie: »So lange ist das gar nicht her, oder?«
»Nein, ist es wohl nicht.« Er sah sie an. »Kommt mir aber viel länger vor.«
Gemma beschloss, seine Bemerkung nicht so ernst zu nehmen.
»Schleppt sich die Zeit in meiner Gegenwart etwa so schwer dahin«, fragte sie gereizt.
»Eigentlich kommt es mir vor wie gestern.« Arden versuchte, ihrem gespielten Ärger mit ebensowenig überzeugender Schüchternheit zu begegnen.
»Hast du das alles vergessen?« erwiderte sie.
»So viel wie möglich jedenfalls!«
»Der Mann hat Nerven!« meinte sie empört zu Mischa.
»Ich gebe auf«, meinte Arden zu Lark. »Frauen. Nie sind sie zufrieden.«
Als wollten sie ihre Zustimmung bekunden, neigten beide Pferde den Kopf, und ihre Reiter lachten lauthals los. Doch sowohl Arden als auch Gemma spürte hinter den Späßen und Wortgefechten unausgesprochene Botschaften.
Inzwischen hatte sie der stete Schritt der Pferde dem Monolithen immer näher gebracht, und Gemma fühlte eine erwartungsvolle Spannung in sich aufsteigen, gemischt mit ein wenig Angst. Beim letztenmal hatte dieser Ort einen neuen Anfang markiert - fast eine zweite Geburt. Was würde er diesmal bringen?
Bei Sonnenuntergang schlugen sie das Lager auf, und wieder sah Gemma ein blaues Flackern am Rand der goldenen Scheibe. Sie zeigte es Arden und fragte ihn, ob er es auch sähe. Er nickte und machte ein verdutztes Gesicht.
»Was glaubst du, was das ist?«
Arden zuckte mit den Achseln. »Wer weiß?« meinte er und drehte sich um. »Im Augenblick interessiert mich das Abendessen mehr.«
Damit, dachte Gemma, wäre diese Unterhaltung gestorben.
Nach dem Essen saßen beide am Feuer und legten kleine Zweige aus Dornengestrüpp nach. Arden holte den Schnaps aus der Abtei hervor und füllte ihre Becher mit einem großzügigen Schluck.
»Ich dachte, die Wüste sei kein guter Ort, sich zu betrinken«, meinte Gemma.
»Nur bei Antritt einer Reise oder wenn man sich schon verlaufen hat«, erwiderte er. »Beides trifft auf uns nicht zu. Und du hast die ganze Nacht, um dich davon zu erholen.«
»Ich? Und was ist mit dir? Du musst den Kurs halten.«
»Starke Getränke machen mir nichts«, antwortete er lässig. »Eigentlich traurig. Bestimmt verpasse ich ein großes Vergnügen.« Er machte ein lächerlich trauriges Gesicht, aber seine Augen funkelten.
»So habe ich
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