Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
mit einer solchen Helligkeit, dass es schmerzte, hinzusehen. Und doch konnte sie sich nicht abwenden. Die Kälte stieß sie ab, aber die Macht ließ sich nicht leugnen und zog sie gegen ihren Willen zu sich. Ein geheimnisvoller Druck lag schwer in der Luft und erschwerte das Atmen. Gemma war wie verzaubert, unfähig, sich zu bewegen oder um Hilfe zu rufen.
Was habe ich getan? Arden, hilf mir! rief sie im stillen. Eine seltsame Stimme antwortete ihr.
»Der Große-der-sich-häutende singt in seiner Not. Ox.«
»Unbewusst. Nicht für den Clan. Ed«, antwortete wiederum eine andere.
Gemmas Gedanken kreisten. Von der furchterregenden Macht des Steins gefangen gehalten zu werden, war beängstigend genug. Dass dieser Terror noch von unsichtbaren Beobachtern vermehrt wurde, die in Rätseln sprachen, war mehr, als sie ertragen konnte. Sie spürte, wie eine vertraute Schwärze durch ihren Kopf zu wirbeln begann. Als sie stürzte, fingen starke Hände sie auf und stützten ihren ohnmächtig werdenden Körper.
Dicht an ihrem Ohr sprach eine Stimme, eine kräftige, vertraute, jetzt jedoch mit Ehrfurcht durchsetzte Stimme. Was er sagte, wusste sie nicht, doch in Ardens Gegenwart durchzog ein warmes Gefühl von Geborgenheit ihren Körper, und sie überließ sich dankbar seinen Armen.
Der Stein bewegte sich. Langsam und unbarmherzig kippte er zurück, auf sie zu, bis er wieder in seiner ursprünglichen Stellung ruhte. Arden zerrte sie von ihm fort, doch Gemma fürchtete sich nicht mehr. Die Macht, die sie hatte erstarren lassen, zog sich zurück - sie hatte ihre Schuldigkeit getan. Langsam erstarben die Flammen - zurück blieben nur ein paar Punkte, die wie Glühwürmchen leuchteten.
Noch einmal bebte und grollte die Erde unter ihren Füßen. Dann war alles still.
Arden hielt sie fest und doch zart in seinen Armen, dann drehte er sie um, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte. Gemmas Augen waren glasig, aber sie brachte ein schwaches Lächeln zustande.
»Alles in Ordnung?« fragte er hörbar besorgt. Sie nickte langsam. »Was wolltest du hier draußen? Nein, sag jetzt nichts. Komm zurück ins Zelt. Wir werden morgen darüber reden.«
Gemma ließ sich zurück in ihren Unterschlupf helfen. Im Gehen - wackelig noch - drehte sie sich um, doch umsonst.
»Wo sind die anderen?« fragte sie leise.
»Welche anderen?«
»Die zu mir gesprochen haben.«
»Es ist niemand sonst hier, Gemma«, erklärte Arden ihr vorsichtig. »Du brauchst Schlaf. Komm zurück ins Bett.«
»Hast du sie nicht gehört?« hakte sie nach.
»Natürlich nicht. Im Umkreis von vielen Meilen gibt es hier keinen Menschen.« Er klappte das Zelt auf, doch Gemma blieb stehen und sah sich um.
»Hier ist sonst niemand«, wiederholte er. »Komm rein.«
Gemma gehorchte, sie war zu müde, um etwas anders zu tun. Die Aussicht auf Schlaf war verlockend. Aber sie wusste, dass Arden sich irrte und dass sie nicht alleine in der Wüste waren. Endlich hatte sie sie gesehen.
Mehrere Augenpaare, stecknadelkopfgroß und blau, so als spiegelte sich darin ihre Erinnerung an das Pilgerfeuer. Doch sie waren nicht auf den Stein gerichtet gewesen.
Sondern auf sie.
28 . KAPITEL
»Mach das nicht noch mal!« sagte Arden voller Nachdruck. »Was immer da draußen war, es hätte dich töten können. Was wolltest du damit beweisen?«
Gemma war zwar zu ihrer großen Überraschung am nächsten morgen früh aufgewacht, trotzdem war Arden vor ihr wach. Als er sah, dass sie die Augen offen hatte, vergewisserte er sich sofort, dass alles mit ihr in Ordnung war. Als er mit dem Ergebnis sichtlich zufrieden war, machte er ihr ernste Vorwürfe.
»Ich musste sehen, ob es wieder geschieht«, versuchte sie ihr Tun zu rechtfertigen. »Und es ist wieder geschehen.« »Was?«
»Die blauen Flammen, nachdem ich den Stein angestoßen habe.«
»Nachdem du was getan hast?« rief er entsetzt.
Gemma erklärte ihrem staunenden Begleiter, wie das Feuer jedesmal darauf zu reagieren schien, dass man den Stein bewegte, so als wäre es erforderlich, um ein unerklärliches Gleichgewicht wiederherzustellen.
»Du hast ja gesehen, dass er wieder zurückgekippt ist«, stellte sie fest.
»Ein Schaukelstein«, meinte Arden. »Wer hätte das gedacht?« Dann verwandelte sich sein verzücktes Erstaunen in Zorn. »Wieso musstest du dich alleine davonschleichen?« wollte er wissen. »Warum hast du mir nicht erzählt, was du vorhast?«
»Weil du es nicht magst, wenn man mit Magie spielt«, antwortete sie mit leichtem
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