Die Träumerin von Ostende
ausstehen.«
»Dann können Sie also auch mich nicht ausstehen.«
Er lächelte mich herausfordernd an. Ich nahm erneut ihm gegenüber Platz.
»Ich werde dafür sorgen, dass Sie Ihre Meinung ändern …«
»Wir kennen uns erst seit ein paar Minuten, und schon wollen Sie mich ändern?«
»Wir kennen uns kein bisschen.«
Er zog die Decke um seine Schultern zurecht und fuhr leise fort:
»Um auf Ihre Frage zurückzukommen, Sie haben nichts von mir zu befürchten. Ich bin Ihnen überaus dankbar, dass Sie mir aus dieser misslichen Situation geholfen haben, nicht gezögert haben, mir Ihre Tür zu öffnen. Aber ich stehle Ihnen Ihre Zeit … Dürfte ich vielleicht kurz anrufen, damit man mich abholt?«
»Selbstverständlich. Möchten Sie zuvor noch ein Bad nehmen? Um sich aufzuwärmen …«
»Ich habe nicht gewagt, Sie darum zu bitten.«
Wir standen auf.
»Und wenn Sie vielleicht etwas zum Anziehen hätten …«
»Etwas zum Anziehen?«
»Ja, ein Hemd, eine Hose, Sie bekommen sie natürlich gewaschen und gebügelt zurück, dafür sorge ich.«
»Es ist nur … ich habe keine Männerkleidung hier.«
»Und die Ihres Mannes?«
»Tja … ich habe keinen Mann.«
Schweigen machte sich zwischen uns breit. Er lächelte. Ich ebenfalls. Ich ließ mich wie ein Hampelmann in meinen Sessel fallen.
»Es tut mir leid, aber ich habe nun einmal keinen Mann, um Ihnen aus der Klemme zu helfen, ich bin bisher nie auf die Idee gekommen, dass mir ein Mann von Nutzen sein könnte.«
Er lachte und setzte sich wieder aufs Sofa.
»Dabei kann ein Ehemann durchaus nützlich sein.«
»Oh, ich fühle keine Begierde zu wissen, was Sie mir damit sagen wollen. Aber gut, fahren Sie trotzdem fort … Wozu also sollte mir ein Mann nützen? Sagen Sie schon …«
»Er könnte Ihnen Gesellschaft leisten.«
»Ich habe meine Bücher.«
»Mit Ihnen an den Strand gehen.«
»Dazu habe ich Bobby, meinen Spaniel.«
»Er könnte zur Seite treten und Ihnen die Tür aufhalten, wenn Sie irgendwo eintreten.«
»Ich habe keinerlei Probleme mit Türen und würde einen Ehemann, der zur Seite tritt, nicht sonderlich schätzen. Nein, das ist nicht genug, was könnte ich sonst noch von ihm haben?«
»Er könnte Sie in die Arme nehmen, Ihren Hals liebkosen, Sie küssen.«
»Schon besser. Und dann?«
»Dann könnte er Sie in ein Bett mitnehmen und Sie glücklich machen.«
»Tatsächlich?«
»Er würde Sie lieben.«
»Könnte er das?«
»Es dürfte nicht schwierig sein, Sie zu lieben.«
»Weshalb?«
»Weil Sie liebenswert sind.«
Wir waren einander auf eine ebenso unwiderstehliche wie unbewusste Art nähergekommen.
»Muss ich einen Mann heiraten, um das zu bekommen? Würde ein Liebhaber diese Rolle nicht genauso gut erfüllen?«
»Ja …«, bestätigte er mit einem Seufzer.
Plötzlich verzerrte sich sein Gesicht. Er setzte sich abrupt zurück, zog die Decke an sich, stand auf, ließ seinen Blick unruhig über die Wände schweifen und wechselte dann vollkommen Ton und Stimme.
»Es tut mir leid, Mademoiselle, ich bitte Sie, mein Verhalten zu entschuldigen. Sie verfügen über so viel Charme, dass ich die Situation vergesse, die Sie dazu zwingt, mir zuzuhören, und mir unstatthafte Freiheiten herausnehme. Verzeihen Sie, sehen Sie mir mein Verhalten bitte nach. Könnten Sie mir einfach nur Ihr Badezimmer zeigen?«
Eine bisher ungekannte Strenge klang in seiner Stimme an; ich erfüllte ihm seinen Wunsch umgehend.
Als er in der Badewanne saß, versprach ich ihm, dass auf dem Hocker hinter der Tür Kleider für ihn bereitlägen, und eilte in mein Zimmer.
Während ich hastig Schubladen und Schränke öffnete, vergegenwärtigte ich mir nochmals alles. Was war mit mir geschehen? Ich hatte mich leichtfertig verhalten, ich hatte ihm geschmeichelt, hatte ihn provoziert, gereizt, ja, hatte ihn veranlasst, mir den Hof zu machen … Das Verlangen zu gefallen hatte mich unmerklich überkommen, hatte meine Worte überschwänglich werden lassen, meine Bewegungen beschwingt, meine Blicke bedeutungsschwer, kurz, es hatte dazu geführt, dass aus unserer Unterhaltung ein Flirt wurde. Ungewollt hatte ich für erotische Spannung zwischen uns gesorgt. Ich hatte ihm das Bild einer leicht zu erobernden Frau vermittelt und ihn dazu verleitet, den Draufgänger zu spielen, hätte er nicht im letzten Moment eine Kehrtwendung gemacht und sich auf seine gute Erziehung besonnen.
Meine Wandschränke brachten mich zur Verzweiflung. Ich fand nicht nur nichts, das für
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