Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt
im Arbeitsleben eine Quelle tiefster Zufriedenheit sein kann.
Die glückliche Professorin
Das moderne, dem aktuellen Stand der Technik entsprechende Northwest Science Building der Harvard University befindet sich in 52 Oxford Street in Cambridge, Massachusetts, zu Fuß zehn Minuten entfernt von dem berühmten zentralen Platz der Universität, auf dem sich zahlreiche Touristen tummeln. Es gehört zu einem massiven Komplex aus Stein und Glas, in dem die zahlreichen Laboratorien untergebracht sind, die das neue Herzstück von Harvards bekanntem Forschungsinstitut bilden. Das Gebäudeinnere gleicht Hollywoods Vision eines wissenschaftlichen | 145 | Labors. Der Fußboden in den Gängen der einzelnen Stockwerke besteht aus poliertem Beton, und es herrscht ein düsteres Licht, das wie ein Tatort in Fernsehkrimis anmutet, an dem gleich das Verbrechen passiert.
Zentral im Gebäude befinden sich die Nasslabore, in denen Studenten und Doktoranden mit Pipetten hantieren, was gut vom Gang aus durch die verglasten Stahltüren zu beobachten ist. Auf der gegenüberliegenden Seite liegen die durch raumhohe Glaswände voneinander getrennten Büros der Professoren.
Der Grund, weshalb ich mich an einem sonnigen Nachmittag im Juni an diesem Ort befinde, ist Pardis Sabeti. Die 35-Jährige ist Professorin für evolutionäre Biologie und beherrscht eine höchst effiziente Strategie, wie man in seinem Beruf Glück und Zufriedenheit findet.
Selbst wenn man nur kurze Zeit mit Pardis verbringt, spürt man, wie sehr sie das Leben genießt. Biologie ist ein sehr anspruchsvolles Fachgebiet, das wie viele andere wissenschaftliche Bereiche in dem zweifelhaften Ruf steht, junge Professoren innerhalb kürzester Zeit in einzelgängerische Griesgrame zu verwandeln, waschechte Workaholics, für die der Wunsch nach Entspannung ein untrügliches Zeichen von völligem Versagen ist und für die sämtliche Errungenschaften ihrer Kollegen eine einzige persönliche Tragödie sind. Ein trostloses Dasein, wenn Sie mich fragen. Doch Pardis ist diesem vermeintlich unausweichlichen Schicksal entronnen.
Keine fünf Minuten, nachdem wir uns zu dem Gespräch hingesetzt haben, steckt ein junger Doktorand – einer von zehn Mitarbeitern von Pardis – seinen Kopf in das gleichnamige Labor.
»Wir sind auf dem Weg ins Volleyballtraining«, ruft er ihr zu. Gemeint ist das Laborteam, das sportliche Betätigung offenbar ernst nimmt. Pardis verspricht, sich dazuzugesellen, sobald unser Gespräch beendet ist.
Volleyball ist nicht Pardis’ einziges Hobby. In einer Ecke ihres Büros steht eine Akustikgitarre, die mehr ist als reine Dekoration. Pardis spielt in einer Band namens Thousand Days, die in Bostoner Musikkreisen ziemlich bekannt ist.
| 146 | Pardis’ Energie hat vermutlich mit der Begeisterung zu tun, die sie für ihre Arbeit empfindet und die gewissermaßen in ihre Freizeitaktivitäten hineinschwappt. Der Großteil ihrer Forschungsarbeit dreht sich um Afrika, mehrere Studien laufen derzeit im Senegal, in Sierra Leone und Nigeria. Ihre Arbeit bedeutet Pardis viel mehr, als Publikationen oder Forschungsgelder wie Trophäen zu sammeln. Während unseres Gesprächs greift sie plötzlich nach ihrem Laptop: »Sie müssen sich dieses Video von mir und meinen Mädels unbedingt ansehen«, sagt sie stolz und klickt auf YouTube. Der Videoclip zeigt Pardis mit ihrer Gitarre in der Hand, wie sie gerade den Ton angibt, und vier afrikanische Frauen. Die Aufnahme entstand im Freien, im Hintergrund sind Palmen zu sehen. Wie mir Pardis erzählt, arbeiten die Frauen in einer von Sabeti Lab gesponserten Klinik. Ganz offensichtlich haben die fünf jede Menge Spaß, auch wenn nicht jeder Ton trifft. »Ich gehe so gerne nach Afrika«, schwärmt Pardis. »Nigeria ist meine afrikanische Heimat.«
Pardis hat mit dem beißenden Zynismus, den sich so viele junge Akademiker angewöhnt haben, nichts am Hut. Sie lässt es sich lieber gut gehen. Während eines Interviews verriet sie mir mal: »Mein Leben kann sehr anstrengend sein, aber ich liebe, was ich tue.« 39 Doch wie hat sie das nur geschafft? In der Zeit, die ich mit Pardis verbrachte, ist mir aufgefallen, dass das Glück, was sie empfindet, darauf beruht, dass sie mit ihrer Arbeit eine klare und beeindruckende Mission verfolgt – und dieses Glücksgefühl beflügelt sie auch außerhalb ihres Forschungslabors. Es handelt sich bei Pardis’ Mission um keine einfache: Ihr Ziel lautet, die Menschheit vor uralten tödlichen Krankheiten
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