Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt
wieder in der Falle sitzen. Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Seine Mission war es, seine künstlerische und die technische Begabung unter einen Hut zu bringen. Damals hatte er keinen Schimmer, wie er davon leben könnte, weshalb er sich erst einmal auf die Suche nach Antworten auf diese dringliche Frage machte. Seine Antworten sollte er erstaunlicherweise in zwei Büchern finden, | 180 | die eigentlich nichts miteinander zu tun hatten.
»Sie sind entweder bemerkenswert oder unsichtbar«, schreibt Seth Godin in seinem 2004 erschienenen Bestseller Purple Cow . 43 In einem für das Business-Magazin Fast Company verfassten Manifest führt er aus: »Die Welt ist voller langweiligem Zeug – braune Kühe –, doch Langweiliges wird übersehen … Eine Purple Cow (»lila Kuh«) dagegen hebt sich davon ab. Unter bemerkenswertem Marketing verstehe ich die Kunst, Produkte und Dienstleistungen von vorneherein bemerkenswert zu gestalten.« 44 Als Giles Godins Buch las, hatte er eine Offenbarung: Für seine Mission, eine nachhaltige Karriere zu entwickeln und zu steuern, brauchte er jede Menge Purple Cows, sprich bemerkenswerte Projekte, über die geredet wird.
Und damit stellte sich ihm sogleich eine zweite Frage: Über welche Art von Projekten wird denn in der Computerwelt geredet? Die Antwort auf diese Frage fand er in einem Karriereratgeber von Chad Fowlers aus dem Jahr 2005 mit dem eigenartigen Titel: My Job went to India: 52 Ways to Save Your Job (sinngemäß übersetzt : Mein Job wurde nach Indien ausgelagert. 52 Tipps, wie Sie den Ihren retten können ) . 45 Der Autor ist ein erfahrener und bekannter Ruby-Programmierer, der sich aber auch als Karriereberater für Programmierer versucht. Einer der 52 Vorschläge besagt, dass der Arbeitsuchende sich die Vorteile der Open-Source-Software-Bewegung zunutze machen soll. Diese bietet Programmierern die Möglichkeit, Software zu entwickeln, die gratis angeboten wird und deren Quellcode geändert werden darf. Fowler führt ins Feld, dass diese Community hoch angesehen ist und Aufsehen erregt. Wer sich selbst einen Namen als Software-Entwickler machen möchte – und damit seine Aussicht auf einen Job erheblich steigert –, sollte wertvolle Beiträge für Open-Source-Projekte leisten. Denn genau dort suchen Entscheidungsträger und Personaler nach neuen fähigen Mitarbeitern.
»Ich brauchte doch nur zwei und zwei zusammenzuzählen«, sagte Giles. »Die Synthese aus Purple Cow und My Job Went to India lautet, dass es nur eine Möglichkeit gibt, sich optimal als Programmierer zu vermarkten: bemerkenswerte Open-Source- | 181 | Software entwickeln. Und genau das habe ich dann gemacht.«
Auf diese Weise entstand Archaeopteryx, sein auf künstlicher Intelligenz beruhendes Musikprogramm. »Ich glaube, kein anderer ist so an diese Sache herangegangen wie ich«, sagte Giles. »Viele Ruby-Programmierer stehen zwar auf Dance Music, aber ich war bestimmt der einzige, der so viel Zeit damit verbracht hat, Breakbeats und Synthesizer-Patches zu optimieren, White-Label-Produkte auf den Markt zu bringen, an denen ich nicht einen Cent verdient habe, und obendrein noch Musiktheorie zu studieren.« Anders ausgedrückt war Giles’ Fähigkeit, ein Ruby-Programm zu entwickeln, das Musik komponieren kann, einzigartig. Eines stand jedenfalls fest: Das war eine echte Purple Cow, sofern sie auf den Markt kam.
Da er Fowlers Rat noch im Hinterkopf hatte, war Giles klar, dass die Open-Source-Community der perfekte Ort war, um seine Purple Cow auf die restliche Welt loszulassen. Und dann schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Quellcode von Archaeopteryx war nicht lizenzrechtlich geschützt, und er machte sich daran, die Werbetrommel dafür zu rühren. »Ich habe es mit Fowlers Rat schon fast übertrieben, denn ich war auf jeder Konferenz und in jeder Nutzergruppe vertreten. Allein 2008 waren es an die 15«, erinnerte sich Giles. Doch diese Kombination aus Fowler und Godin funktionierte. »Ich erhielt Angebote aus aller Welt. Ich durfte mit den Besten meiner Branche zusammenarbeiten, sollte ein Buch über Archaeopteryx schreiben. Mit einem Mal konnte ich viel mehr Geld für meine Arbeit verlangen, als ich es je zu träumen gewagt hätte.« Also hat ihm seine Strategie zu einem Riesenerfolg verholfen.
Das Bekanntheitsgesetz
Während ich so über Giles’ Geschichte nachdachte, kam mir nur ein Wort in den Sinn: bemerkenswert. Meiner Meinung nach zog Giles den Schluss, dass ein von
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