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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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brauchte aber nicht zu warten. Renée öffnete sofort die Glasthür des kleinen Salons und stieg ihm die Treppe voran hinauf, ohne ein Wort zu sprechen. Sie war soeben von einem Balle heimgekehrt, der im Stadthause abgehalten worden und trug noch ihre Robe aus weißem wallendem Tüll, über welchen seidene Schleifen ausgestreut waren, während die Einfassung des Leibchens eine breite Spitze aus weißen Schmelzperlen bildete, welche in dem Lichte der Kandelaber ins Blaue und Rosafarbene spielten. Als Maxime sie anblickte, ward er gerührt durch ihre Blässe, durch die tiefe Bewegung, die ihre Stimme erstickte. Sie konnte ihn nicht erwartet haben und bebte am ganzen Leibe, als sie ihn wie sonst anlangen sah, ruhig, mit seiner schmeichelnden Miene. Céleste kehrte aus der Garderobe zurück, von wo sie ein Nachthemd geholt hatte, und die Liebenden schwiegen noch immer, da sie darauf warteten, daß sich die Dienerin entferne. Gewöhnlich thaten sie sich vor ihr keinen Zwang an; die Dinge aber, die sie einander zu sagen hatten, erweckten ihr Schamgefühl. Renée wollte sich von Céleste im Schlafzimmer entkleiden lassen, da dort ein helles Feuer brannte. Die Zofe entfernte die Nadeln, nestelte die Röcke los, einen nach dem andern, ohne sich zu beeilen und Maxime griff gelangweilt, scheinbar unbewußt nach dem Hemde, welches neben ihm auf einem Stuhl lag und begann es mit ausgebreiteten Armen, vornübergebeugt am Feuer zu wärmen. Diese kleinen Dienstleistungen hatte er Renée schon früher, in ihren glücklichen Tagen erwiesen. Sie ward von Rührung erfaßt, als sie ihn das Hemd behutsam an's Feuer halten sah. Und da Céleste noch immer nicht fertig werden wollte, fragte er:
    »Hast Du Dich auf dem Ball gut unterhalten?«
    »Ach nein; Du weißt ja, es ist immer dieselbe Geschichte,« gab sie ihm zur Antwort. »Es waren viel zu viel Leute da; eine förmliche Völkerwanderung.«
    Er wendete jetzt das Hemd, welches auf einer Seite bereits erwärmt war.
    »Was für Toilette hatte Adeline?«
    »Eine herzlich geschmacklose malvenfarbene Robe ... Sie ist klein und hat eine sinnlose Vorliebe für breite Volants.«
    Dann sprachen sie über andere Frauen und Maxime verbrannte sich fast die Finger mit dem Hemd. »Du wirst es noch versengen,« sagte Renée mit mütterlich kosender Stimme.
    Céleste nahm das Hemd aus den Händen des jungen Mannes. Dieser richtete sich empor, betrachtete das große, grau-rosafarbene Bett und vertiefte sich in die Besichtigung des Tapetenmusters, um den Kopf abgewendet zu halten, damit er die nackten Brüste Renée's nicht sehe. Er that dies ganz instinktiv, denn da er sich nicht mehr für ihren Geliebten hielt, so hatte er auch kein Recht mehr, zu sehen. Darauf nahm er eine Zigarre hervor und zündete sie an; Renée hatte ihm die Erlaubniß gegeben, bei ihr zu rauchen. Endlich zog sich Céleste zurück, nachdem sich die junge Frau in ihrem schneeweißen Nachtgewande vor dem Feuer niedergelassen hatte.
    Schweigend schritt Maxime einige Minuten auf und nieder, wobei er verstohlen Renée beobachtete, die von einem abermaligen Schauer erfaßt zu sein schien. Dann stellte er sich vor sie hin und die Zigarre zwischen den Zähnen haltend, fragte er harten Tones:
    »Weshalb hast Du mir nicht gesagt, daß es mein Vater gewesen, der gestern bei Dir war?«
    Sie hob den Kopf empor und ihre weit geöffneten Augen hatten einen Ausdruck höchster Angst. Dann schoß ihr eine Blutwelle ins Gesicht und fast vergehend vor Scham, schlug sie beide Hände vor die Augen, während sie stammelte:
    »Du weißt das? Du weißt es?«
    Sie sammelte all' ihren Muth und versuchte zu leugnen:
    »Das ist nicht wahr ... Wer hat es Dir gesagt?«
    Maxime zuckte die Achseln.
    »Wer? mein Vater selbst, der Dich allerliebst geformt findet und mit mir über Deine Hüften sprach.«
    Er hatte einigen Verdruß durchblicken lassen. Nun begann er aber wieder auf- und abzuschreiten und fuhr mit freundschaftlich scheltender Stimme zu sprechen fort, wobei er von Zeit zu Zeit einen Zug aus seiner Zigarre that:
    »Wahrhaftig, ich verstehe Dich nicht; Du bist eine eigenthümliche Frau. Es ist Deine Schuld, wenn ich gestern grob war. Wenn Du mir gesagt hättest, daß es mein Vater sei, so wäre ich ruhig fortgegangen, denn ich habe doch keine Rechte. Du aber sagtest mir, es sei Herr von Saffré!«
    Die Hände vor das Gesicht gedrückt, schluchzte sie. Er näherte sich ihr, kniete vor ihr nieder und entfernte mit sanfter Gewalt ihre Hände.
    »Laß

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