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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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beurtheilst ihn wohl ein wenig oberflächlich ... Wenn ich Dir von all' seinen Verlegenheiten Mittheilung machen und Dir wiederholen wollte, was er mir erst heute Abend anvertraute, so würdest Du einsehen, wie sehr man sich täuscht, wenn man meint, daß ihm etwas am Geld gelegen sei ...«
    Maxime konnte ein Zucken der Schultern nicht unterdrücken; dann fiel er seiner Stiefmutter mit einem ironischen Lachen ins Wort.
    »Ach laß doch, ich kenne ihn, kenne ihn besser als Du ... Er mag Dir ja recht erbauliche Dinge gesagt haben. Erzähle es mir doch einmal.«
    Der spöttische Ton verletzte sie und sie verstieg sich noch höher in ihren Lobeserhebungen. Sie erklärte, ihr Gatte sei ein großer Mann, sprach von dem Charonner Unternehmen, von dem ganzen Schwindel, von dem sie kein Wort verstanden, wie von einer Katastrophe, in welcher ihr die hohe Güte und Intelligenz Saccard's offenbar geworden. Sie fügte hinzu, daß sie am nächsten Tage die Verzichtsurkunden unterschreiben werde und wenn dies thatsächlich ein Unglück sei, so nehme sie es hin als eine Strafe für ihre Fehltritte. Maxime ließ sie sprechen; nur von Zeit zu Zeit lachte er auf und sagte mit halblauter Stimme:
    »Es stimmt, das ist es ...«
    Und lauter fügte er hinzu, indem er die Hand auf Renée's Schulter legte:
    »Ich danke Dir, meine Liebe; ich kannte die Geschichte aber schon ... Du bist die gutmüthige Thörin, nicht er der Thor.«
    Und wieder schickte er sich zum Gehen an. Er empfand einen grimmigen Drang, ihr Alles zu erzählen. Sie hatte ihn durch die ihrem Gatten gespendeten Lobsprüche erzürnt und er vergaß ganz, daß er sich selbst Schweigen gelobt, um allen Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen.
    »Wie? was willst Du damit sagen?« fragte sie.
    »Ei, alle Wetter, daß Dich mein Vater auf die niedlichste Art von der Welt am Gängelbands führt ... Du thust mir wirklich leid; Du bist zu ungeschickt!«
    Und damit begann er ihr zu erzählen, was er bei Laura gehört; er erzählte es feige, hinterlistig und freute sich insgeheim darüber, daß er in diesen Infamien wühlen konnte. Es schien ihm dabei, als rächte er sich damit für eine geheime Beleidigung, die man ihm angethan. Sein weibisches Temperament erlabte sich in thierischer Wollust an dieser Denunziation, an diesem grausamen Geschwätz, welches er hinter einer Thür erlauscht. Er ersparte Renée nichts, – weder das Geld, welches ihr Gatte ihr auf Wucherzinsen vorgestreckt, noch jenes andere, welches er ihr durch lächerliche Geschichten, die für ein Ammenmärchen zu schlecht waren, entlocken wollte. Leichenblaß hörte ihm die junge Frau zu, ihre Lippen waren dabei fest über einander gepreßt. Vor dem Kamin stehend, blickte sie gesenkten Hauptes in das Feuer; dabei hatte sich ihr Nachtgewand, das Hemd, welches Maxime gewärmt hatte, ein wenig verschoben und ließ die regungslosen Formen einer Marmorstatue sehen.
    »Ich sage Dir das Alles,« schloß der junge Mann, »damit Du nicht blindlings in die Falle gehst ... Meinem Vater aber brauchst Du darum nicht zu zürnen, denn er ist so böse nicht. Er hat nur seine Fehler, wie jeder Mensch ... Auf Wiedersehen also!«
    Damit schritt er der Thür zu, Renée aber hielt ihn durch eine Geberde zurück.
    »Bleibe!« rief sie dabei gebieterischen Tones.
    Und ihn an sich ziehend, drückte sie ihn vor dem Feuer beinahe auf ihre Kniee nieder, küßte ihn auf den Mund und sagte:
    »Das wäre doch zu lächerlich, wenn wir uns jetzt noch irgendwelchen Zwang anthun wollten ... Du weißt wohl nicht, daß ich seit gestern, seitdem Du mit mir brechen wolltest, nicht mehr recht bei Sinnen war? Ich bin wie verrückt. Heute Abend hatte ich einen Schwindelanfall auf dem Ball. Ich habe Dich nöthig, um leben zu können. Wenn Du von mir gehst, werde ich vernichtet sein ... Lache nicht; ich sage Dir blos, was ich empfinde.«
    Sie blickte ihn mit unendlicher Zärtlichkeit an, als hätte sie ihn schon lange nicht gesehen.
    »Du hast das richtige Wort gefunden, ich war ungeschickt und Dein Vater hätte mir Alles, was er wollte, weismachen können. Konnte ich denn eine Ahnung haben? Während er mir seine Geschichte vortrug, vernahm ich nur ein dumpfes Brausen in den Ohren und ich war derart jedes freien Willens bar, daß ich seine Papiere selbst auf den Knieen liegend unterschrieben hätte, wenn er es verlangt hätte. Und ich bildete mir ein, daß ich Gewissensbisse hatte! ... Es war doch zu lächerlich ...«
    Sie lachte laut auf und der Ausdruck des

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