Die Treibjagd
gleichzeitig meinen Vater, den ich immer aus den Augen verliere, wenn wir in Gesellschaft sind.«
Er erhob sich und versuchte die junge Frau noch im Speisesaale aufzuhalten, indem er sie fragte, was sie ihm denn so Dringendes mitzutheilen habe. Sie aber sagte mit aufeinander gepreßten Zähnen:
»Folge mir oder ich sage Alles in Gegenwart der Leute!«
Er wurde sehr bleich und folgte ihr mit dem widerstandslosen Gehorsam eines geprügelten Thieres. Sie glaubte, daß Baptiste sie anblickte; doch was kümmerte sie sich in diesem Augenblick um die klaren, ruhigen Augen dieses Lakaien? An der Thür wurde sie zum dritten Male durch den Kotillon aufgehalten.
»Warte,« murmelte sie; »diese Tölpel wollen noch immer nicht fertig werden.«
Und damit erfaßte sie seine Hand, damit er ihr nicht entschlüpfen könne.
Herr von Saffré placirte den Herzog von Rozan in einer Ecke des Salons auf derselben Seite, auf welcher sich die Thür des Speisesaales befand, mit dem Rücken gegen die Wand. Vor ihm stellte er eine Dame hin, sodann einen Herrn mit dem Rücken gegen den der Dame, hierauf eine zweite Dame vor den Kavalier und so fort paarweise in langer Schlangenlinie. Als er fertig geworden, rief er mit lauter Kommandostimme:
»Vorwärts, meine Damen; Platz für die Kolonnen!«
Dem Befehl entsprechend wurden die Kolonnen gebildet. Die ungeziemende Stellung, welche die Damen innehatten, die sich derart zwischen zwei Männer gedrängt sahen, einen hinter und einen vor sich, trug viel zur Erheiterung der Gesellschaft bei. Die Brüste berührten die Rockaufschläge der Herren, die Beine der Kavaliere verschwanden in den Röcken der Damen und wenn sich die Köpfe lachend bewegten, mußten die Schnurrbarte zur Seite gewendet werden, damit die Dinge nicht bis zum Kusse gediehen. Ein Spaßvogel mochte der ganzen Linie einen leichten Stoß gegeben haben, denn dieselbe schrumpfte etwas zusammen, so daß die schwarzen Beine noch tiefer in den Röcken versanken; man vernahm leises Kreischen und unterdrücktes Gekicher, welches sich gar nicht mehr beruhigen wollte. Man hörte die Baronin von Meinhold sagen: »Aber, mein Herr, Sie erwürgen mich ja; drücken Sie mich nicht so sehr!« und dies war so drollig, entfesselte eine so unbändige Heiterkeit, daß die erschütterten »Kolonnen« schwankten, gegen einander stießen und sich gegenseitig stützen mußten, um nicht zu fallen. Herr von Saffré, der mit erhobenen Händen dastand, um zu klatschen, wartete. Endlich schlug er die Hände zusammen und auf dieses Signal drehte sich jede Person um. Die Paare, die sich einander gegenüber befanden, faßten sich um den Leib und die ganze Linie wirbelte im Walzer davon. Nur der arme Herzog von Rozan stieß mit der Nase gegen die Wand, als er sich umdrehte, was allgemein belacht wurde.
»Komm!« sagte Renée zu Maxime.
Das Orchester spielte noch immer den Walzer. Die weiche Melodie, deren monotoner Rythmus auf die Dauer fade und langweilig wurde, erhöhte noch die Erbitterung der jungen Frau. Sie trat ohne die Hand Maxime's los zu lassen, in den kleinen Salon und ihn zu der in das Ankleidezimmer emporführenden Treppe drängend, gebot sie ihm erstickten Tones:
»Hinauf!«
Sie selbst folgte ihm. In diesem Augenblick langte Frau Sidonie, die erstaunt über das ruhelose Umherirren ihrer Schwägerin durch alle Räume, sich während des ganzen Abends in der Nähe derselben aufhielt, auf dem Perron des Wintergartens an, gerade als die Füße eines Mannes in dem Dunkel der kleinen Treppe verschwanden. Ein fahles Lächeln erhellte ihr wachsbleiches Gesicht und ihren Magiertalar emporraffend, um rascher gehen zu können, suchte sie ihren Bruder auf, wobei sie rücksichtslos eine Kotillonfigur zerstörte und die ihr in den Weg kommenden Diener befragte. Endlich fand sie Saccard allein mit Herrn von Mareuil in einem an den Speisesaal stoßenden Raum, welcher zeitweilig zum Rauchzimmer umgestaltet worden war. Die beiden Väter sprachen über die Mitgift, die einzelnen Punkte des Kontraktes. Als ihm aber seine Schwester einige Worte zugeflüstert hatte, stand Saccard auf, entschuldigte sich flüchtig und verließ das Zimmer.
Im Ankleidekabinet aber herrschte die größte Unordnung. Auf den Stühlen lagen das Kostüm der Nymphe Echo, das zerrissene Tricot, auf der Erde Spitzen und durcheinander geworfene Wäschestücke umher, – Alles was eine Frau, auf die gewartet wird, in ihrer Eile zurückläßt. Von den silbernen und elfenbeinernen
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