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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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rosenfarbenen Schlupfwinkel verlassen zu können, in welchem er das Läuten des Irrenhauses zu vernehmen meinte. Endlich glaubte er das gesuchte Rettungsmittel gefunden zu haben.
    »Ich habe aber kein Geld,« sagte er sanft, um sie nicht noch mehr zu reizen; »und kann mir auch keines verschaffen, wenn Du mich hier einschließest.«
    »Aber ich habe welches,« erwiderte sie triumphirenden Tones. »Ich besitze hunderttausend Francs und damit ist Alles in bester Ordnung ...«
    Damit entnahm sie dem Spiegelschranke die Cessionsurkunde, welche ihr Gatte von der unbestimmten Hoffnung bewegt, sie könne noch anderen Sinnes werden, bei ihr zurückgelassen. Sie legte dieselbe auf den Toilettetisch, zwang Maxime, ihr aus dem Schlafzimmer Feder und Tinte zu holen und Seife und Fläschchen zurückschiebend, setzte sie mit raschem Zuge ihren Namen unter das Dokument, worauf sie sagte:
    »Wohlan, die Thorheit ist ausgeführt. Wurde ich bestohlen, so ließ ich es in klarem Bewußtsein geschehen ... Bevor wir nach dem Bahnhofe fahren, werden wir bei Larsonneau vorsprechen ... Und jetzt, mein kleiner Maxime, werde ich Dich einschließen und sobald ich all' die Leute hier vor die Thür gesetzt, entfliehen wir durch den Garten. Nicht einmal unser Gepäck brauchen wir mit uns zu nehmen.«
    Sie war wieder heiter geworden; dieser Handstreich entzückte sie. Es war das eine letzte Ueberspanntheit, ein Abschluß dieses heißen Kampfes, welcher ihr durchaus originell dünkte. Dies war noch bedeutend großartiger, als die geplante Auffahrt mit dem Ballon. Sie schloß Maxime in die Arme und murmelte:
    »Ich habe Dir vorhin weh gethan, mein armer Schatz! Und darum hast Du Dich geweigert ... Du wirst aber sehen, wie schön das sein wird. Könnte Dich denn Deine Buckelige so lieben wie ich Dich liebe? ... Diese kleine Mulattin ist ja gar keine Frau ...«
    Sie zog ihn mit girrendem Lachen an sich und küßte ihn leidenschaftlich, als ein Geräusch sie die Köpfe umwenden ließ. Saccard stand auf der Schwelle der Thür.
    Eine fürchterliche Stille trat ein. Langsam löste Renée die Arme von dem Halse Maxime's; doch ohne die Stirne zu senken, blickte sie ihren Gatten mit großen, starren Augen an, während der junge Mann wie zu Boden geschmettert, gesenkten Kopfes taumelte, nun er durch sie nicht mehr gestützt ward. Wie vom Schlage gerührt durch diese entsetzliche Entdeckung, welche endlich den Gatten und den Vater in ihm erweckte, blieb Saccard regungslos, leichenblaß stehen und nur von Weitem flogen seine brennenden Blicke zu den Beiden hinüber. Hell, mit senkrechter Flamme und der Unbeweglichkeit einer heißen Thräne brannten die drei Kerzen in der feuchten, duftenden Luft des Gemaches. Und die Stille, die fürchterliche Stille ward nur durch einen über die enge Treppe heraufdringenden Hauch der Musik unterbrochen und schlangengleich glitt, wand sich der sinnberückende Walzer über den schneeweißen Teppich, zwischen dem zerrissenen Tricot und den zur Erde geglittenen Frauenröcken.
    Endlich trat der Gatte vor. Ein Drang nach brutalem Ausbruch verzerrte sein Gesicht; er ballte die Fäuste, um die Schuldigen niederzuschmettern. Der Zorn brach sich in dem kleinen, beweglichen Manne unter lautem Toben Bahn. Ein würgendes Lachen stieg in seiner Kehle empor und immer näher kommend, fragte er:
    »Du hast ihr von Deiner bevorstehenden Verheirathung Mittheilung gemacht, nicht wahr?«
    Maxime wich zurück, bis er an die Mauer stieß und dort stammelte er:
    »Höre mich an ... sie war es, die ...«
    Er wollte sie feige anklagen, die ganze Schuld auf sie wälzen, sagen, daß sie mit ihm entfliehen gewollt, sich mit der Demuth und dem Zittern eines auf seinen Schlichen ertappten Schuljungen vertheidigen. Doch hatte er nicht die Kraft dazu, die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Renée aber verharrte regungslos wie eine Statue, ihre Haltung drückte schweigende Verachtung aus. Da ließ Saccard, sicherlich um eine Waffe zu entdecken, den Blick suchend durch den Raum gleiten und auf dem Toilettetisch, inmitten der Kämme und Nagelbürsten erblickte er die Cessionsurkunde, deren gelbes Papier sich von dem Marmor abhob. Sein Auge schweifte von dem Schriftstück zu den Schuldigen hinüber. Dann neigte er sich vor und gewahrte, daß das Dokument unterschrieben sei. Sein Blick glitt von dem offenen Tintenfaß nach der noch feuchten Feder, die am Fuße des Kandelabers lag. Schweigend, nachdenklich blieb er vor dieser Unterschrift stehen.
    Die Stille

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