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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hielten; sie fanden ein Vergnügen daran, ihn mit dem Madeira des berühmten Worms zu berauschen. Er sprach die überraschendesten Dinge zu ihnen und sie lachten darüber, daß ihnen die Thränen über die Wangen flossen. Indessen war es die Marquise d'Espanet, die das charakteristische Wort der Situation fand; denn als man Maxime eines Tages in einer Divanecke zusammengekauert hinter ihrem Rücken entdeckte, wo er so rosig und erröthend, so ganz durchdrungen von dem Wohlbehagen, welches er in ihrer unmittelbaren Nähe empfand, dreinblickte, murmelte sie:
    »Dieser Knabe hätte als Mädchen geboren werden sollen.«
    Wenn dann der große Worms Renée endlich vorließ, trat Maxime mit ihr zugleich in das Kabinet. Er hatte sich erlaubt, zwei oder drei Mal einige Worte zu sprechen, während sich der Meister in den Anblick seiner Klienten vertiefte, gleichwie ein Künstler sein Modell betrachtet und der Meister hatte über die Triftigkeit seiner Bemerkungen zu lächeln geruht. Er ließ Renée sich vor einen vom Fußboden bis zur Decke reichenden Spiegel stellen und schien, indem er die Brauen runzelte, innerlich mit sich zu Rathe zu gehen, während die aufgeregte junge Frau den Athem anhielt, um gewiß keine störende Bewegung zu machen. Und wie von Begeisterung ergriffen, begann der Künstler nach wenigen Minuten in großen Zügen das Meisterwerk zu skizziren, welches er vor seinem geistigen Auge entstehen sah, indem er in kurzen Sätzen hervorstieß:
    »Robe Montespan aus aschfarbener Fayeseide ... Schleppe halbkurz, vorne runder Ausschnitt ... große Schleifen aus grauem Satin zum Festhalten an den Hüften ... Vordertheil aus gefütterter perlgrauer Seide ...«
    Er dachte von Neuem nach, wobei er bis in die tiefste Tiefe seines Genies hinabzutauchen schien und mit der triumphirenden Grimasse einer auf ihrem Dreifuße sitzenden Wahrsagerin fuhr er fort:
    »In den Haaren, auf diesem leuchtenden Haupte werden wir den träumerischen Schmetterling der Psyche mit den azurblauen Flügeln anbringen.«
    Bei einer anderen Gelegenheit aber wollte die Eingebung nicht kommen. Vergebens rief der berühmte Worms sie herbei; er strengte sich ganz nutzlos an. Dann runzelte er die Brauen, wurde bleich, nahm seinen armen Kopf zwischen beide Hände, drückte ihn verzweiflungsvoll und warf sich schließlich entmuthigt in einen Fauteuil.
    »Nein,« murmelte er dabei schmerzlichen Tones; »nein, heute nicht ... heute ist es nicht möglich ... Die Damen sind so erbarmungslos ... Die Quelle ist versiegt.«
    Damit setzte er Renée vor die Thür und fügte gleichsam begütigend hinzu:
    »Nicht möglich, nicht möglich, verehrte Frau; bitte, sprechen Sie nächster Tage wieder vor ... Heute bin ich nicht in der richtigen Stimmung.«
    Nicht lange währte es, so hatte die schöne Erziehung, welche Maxime zutheil wurde, ihre ersten Früchte getragen. Mit siebzehn Jahren verführte der Schlingel das Kammermädchen seiner Stiefmutter. Das Aergste an der Sache war, daß die Person schwanger wurde. Man mußte sie sammt ihrem Balg auf's Land schicken und ihr eine kleine Rente aussetzen. Renée war im höchsten Grade aufgebracht über das Abenteuer, während sich Saccard nur soweit darum kümmerte, als es die materielle Seite der Frage erforderte. Die junge Frau zürnte ihrem Zögling ernstlich. Er, aus dem sie einen vornehmen Mann machen wollte, kompromittirte sich mit einer solchen Person! Welch' lächerlicher, schmählicher Anfang, welch' unbesonnener Streich! Wenn er sich noch mit einer der Damen eingelassen hätte!
    »Meiner Treu!« erwiderte er ruhig; »wenn Deine gute Freundin Susanne gewollt hätte, so wäre sie auf's Land geschickt worden.«
    »Oh, über den Schlingel!« murmelte sie wehrlos gemacht. Die Vorstellung, Susanne mit einer Rente von zwölfhundert Francs auf dem Lande zurückgezogen zu sehen, stimmte sie heiter.
    Dann aber kam ihr ein kurzweiliger Gedanke und ganz vergessend, daß sie die zürnende Mutter darzustellen habe, begann sie zu lachen und ihn aus den Augenwinkeln ansehend, murmelte sie, während sie ihr Lachen hinter der vorgehaltenen Hand zu ersticken suchte:
    »Höre 'mal, Adeline wäre in diesem Falle sehr ungehalten über Dich gewesen und sie hätte Susannen heftige Vorwürfe gemacht...«
    Weiter sprach sie nicht, denn Maxime begann ebenfalls zu lachen. Derart kam Renée's Sittenstrenge in diesem. Abenteuer zu Falle.
    Aristide Saccard kümmerte sich nicht im Geringsten um die beiden Kinder, wie er seinen Sohn und seine

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