Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
verabscheuungswürdige Geschöpfe seien, denen er sorgfältig ausweichen müsse: dann aber vergaß sie sich und sprach von denselben wie über Personen, die sie genau kannte. Einen besonderen Genuß bereitete es dem Knaben, wenn er die Sprache auf die Herzogin von Sternich bringen konnte. So oft der Wagen derselben im Bois an dem ihrigen vorüberfuhr, begann er von der Herzogin zu sprechen, und zwar mit einer boshaften Schadenfreude und einem Seitenblick auf seine Stiefmutter, welcher zur Genüge bewies, daß er das letzte Abenteuer derselben kannte. In trockenem Tone fiel dann Renée über ihre Rivalin her und zerpflückte dieselbe erbarmungslos; wie alt die arme Frau wurde! Sie schminkte sich, hatte Liebhaber in jedem ihrer Kleiderschränke verborgen, und habe sich einem Kammerherrn hingegeben, um in das kaiserliche Bett zu gelangen. So ging es in einem Zuge erbarmungslos fort, während Maxime, um sie zu ärgern, die Herzogin für eine entzückende Frau erklärte. Derartige Lektionen erhöhten die Intelligenz des Knaben ganz ungemein, umsomehr, als die junge Erzieherin dieselben überall wiederholte, im Salon, im Bois, im Theater. Der Schüler machte bedeutende Fortschritte.
    Maxime hatte für sein Leben gern mit Frauengewändern, für den weiblichen Leib bestimmten Toilettesachen zu schaffen. Immer blieb etwas vom Mädchen an ihm haften, dank seinen zarten länglichen Händen, seinem bartlosen Gesichte, seinem weißen, vollen Halse. Renée besprach sich ganz ernsthaft über ihre Toiletten mit ihm. Er kannte die guten Schneider der Hauptstadt, urtheilte sachverständig über dieselben und sprach über die Symmetrie eines Hutes, über die Logik einer Toilette wie irgend eine Frau. Als er siebzehn Jahre alt geworden, gab es keine Modistin, die er nicht ergründet, keinen Schuhmacher, den er nicht bis in's Innerste studiert hätte. Dieser merkwürdig frühreife Junge, der während der englischen Stunde die Prospekte durchlas, welche ihm sein Parfumlieferant jeden Freitag zugehen ließ, hätte eine brillante Abhandlung über das ganze elegante Paris, Klienten und Lieferanten mitinbegriffen, zu schreiben verstanden, in einem Alter, da die Provinzschulknaben noch keine Magd anzusehen wagen. Häufig brachte er vom Lyceum heimkehrend, in seinem Tilbury einen Hut, eine Seifenschachtel, irgend ein Geschmeide mit, welches seine Stiefmutter Tags vorher bestellt hatte. In seinen Taschen war stets ein Endchen parfumirter Spitzen zu finden.
    Sein Höchstes war aber, wenn er Renée zu dem berühmten Worms, dem genialem Schneider begleiten durfte, vor welchem die Mode-Königinen des zweiten Kaiserreiches auf den Knieen lagen. Der Salon des großen Mannes war geräumig, elegant eingerichtet und mit breiten Divans versehen. Mit einer gewissen religiösen Erregung setzte er den Fuß in denselben. Die weiblichen Toiletten besitzen unleugbar ihren eigenen Duft; Seide, Satin, Sammt und Spitzen vermengen ihren zarten Hauch mit dem der Haare und bernsteinartig angehauchten Schultern und die Atmosphäre dieses Salons hatte jene duftige Wärm;, jenen Weihrauch des Reichthums und lebenden Fleisches, welches den Raum zu einer dem Dienste irgend einer geheimen Gottheit geweihten Kapelle machte. Häufig mußten Renée und Maxime Stunden lang warten; stets waren etwa zwei Dutzend Damen noch zugegen, die darauf warteten, daß die Reihe an sie komme und inzwischen Biscuits in kleine Gläschen Madeira tauchten, die nebst anderen kleineren Delikatessen auf dem großen Tische in der Mitte bereitstanden. Die Damen fühlten sich hier ganz zu Hause, plauderten unbefangen mit einander und wenn sie sich in dem weiten Gemach niederließen, hätte man sie für eine Schaar Lesbierinen halten können, die sich in einem Pariser Salon versammelten. Maxime, den sie um seines mädchenhaften Aussehens willen liebten und in ihrer Nähe duldeten, war das einzige männliche Wesen, welches Zutritt in das Heiligthum hatte. Er schwelgte daselbst in göttlichen Genüssen; er glitt schlangengleich über die Divans hin und stets konnte man ihn unter einem Rock, hinter einem Mieder, zwischen zwei Kleidern antreffen, wo er sich ganz klein zusammenkauerte, vollkommen ruhig verhielt und mit der Miene eines Chorknaben, der den Leib des Herrn empfängt, die duftende Wärme seiner Nachbarinen einathmete.
    »Er schmuggelt sich überall ein, der Kleine da,« sagte die Baronin von Meinhold und streichelte ihm die Wangen.
    Er war so zart, daß ihn die Damen kaum für vierzehnjährig

Weitere Kostenlose Bücher