Die Treibjagd
behielt er das Haus für sich und der Staat bezahlte. Man belohnte seine Dienstwilligkeit, indem man ihm einzelne Straßenabschnitte, projektirte Straßen-Kreuzungen überließ, welche er wieder verkaufte, noch bevor der Bau der neuen Straße gar in Angriff genommen worden. Es war ein wildes Spielen; man spielte auf die zu erbauenden Stadtviertel, wie man auf Rentenpapiere spielt. Gewisse Damen, schöne Mädchen, vertraute Freundinen hoher Funktionäre, waren mit von der Partie; eine derselben, die von ihren herrlichen Zähnen her berühmt ist, hat zu wiederholten Malen ganze Straßen aufgeknabbert. Saccard fühlte sein Verlangen, seinen Durst nach Reichthum immer höher steigen, als er sah, wie das Gold durch seine Hände strömte. Es schien ihm, als breitete sich rings um ihn ein Meer von Zwanzigfrancsstücken aus; die Fluth wurde zum Ozean und erfüllte den unabsehbaren Horizont mit einem unbestimmten Wogen und Rauschen, einer metallischen Melodie, die sein Herz umschmeichelte und immer weiter wagte er sich als kühner Schwimmer, der seine Unerschrockenheit mit jedem Tage zunehmen fühlte, in die Fluth hinaus, untertauchend, dann wieder zum Vorschein kommend und bald auf dem Rücken, bald auf dem Bauche liegend, durchschnitt er die unabsehbare Wasserfläche bei heiterem und bei stürmischem Wetter, voll Vertrauen zu seiner Kraft und seiner Geschicklichkeit, die ihn nicht untergehen lassen würde.
Zu jener Zeit war Paris in eine Wolke von Gipsstaub gehüllt. Die Epoche, welche Saccard in dem Restaurant auf dem Montmartre vorausgesagt, war gekommen. Die Stadt wurde unerbittlich zerstückelt und Aristide war bei jedem Einschnitt dabei. An allen vier Enden der Stadt besaß er Trümmerhaufen. Selbstverständlich war er in der Rue de Rome auch in die erstaunliche Geschichte jenes Loches verwickelt, welches eine Gesellschaft ausheben ließ, um fünf- oder sechstausend Kubikmeter Erde fortführen zu lassen und den Glauben an gigantische Arbeiten zu erwecken und welches wieder verschüttet werden mußte, wozu die erforderliche Erdmenge aus Saint-Ouen herbeigeschafft wurde, als die Gesellschaft fallit wurde. Aristide zog sich mit reinem Gewissen und vollen Taschen aus der Geschichte, dank seinem Bruder Eugen, der Vermittelnd eingriff. In Chaillot war er bei der Abtragung des Hügels behilflich, der in eine Niederung geschafft wurde, um für den Boulevard Raum zu gewinnen, der sich vom Arc-de-Triomphe bis zur Alma-Brücke erstreckt. In der Nähe von Passy regte er den Gedanken an, die Trümmer des Trokadero auf das Plateau schaffen zu lassen, so daß sich die fruchtbare Erde heute zwei Meter tief befindet und nicht einmal das Gras auf diesem Schutt gedeihen will. Man konnte ihn an zwanzig Punkten zu gleicher Zeit antreffen, an allen Orten, wo es irgend ein unüberwindliches Hinderniß gab: Trümmer, mit denen man nichts anzufangen wußte, Aufschüttungen, die man nicht auszuführen vermochte, ein Haufen Erde und Gips, der der fieberhaften Eile der Ingenieure im Wege war, den er mit seinen Fingern durchwühlte und welchen er dann stets auf irgend eine Weise zu verwerthen verstand. An einem und demselben Tage besichtigte er die Arbeiten am Arc-de-Triomphe und auf dem Boulevard Saint-Michel, die Demolirungen am Boulevard Malesherbes, sowie die Erdarbeiten zu Chaillot, stets gefolgt von einer Armee von Arbeitern, Gerichtsvollziehern, Aktionären, Bethörten und Gaunern.
Seinen größten Triumph feierte er aber mit dem Crédit Viticole, den er mit Toutin-Laroche gründete. Dieser war der offizielle Direktor der Gesellschaft, während er selbst nur als Mitglied des Aufsichtsrathes figurirte. Auch bei dieser Gelegenheit hatte Eugen seinen Bruder nach Thunlichkeit unterstützt. Dank seiner Vermittlung begünstigte die Regierung die Gesellschaft und behandelte dieselbe mit großem Wohlwollen. Als anläßlich einer kitzlichen Unternehmung dieser Gesellschaft ein übelwollendes Blatt sich herausnahm, an dieser Operation Kritik zu üben, ging der amtliche »Moniteur« so weit, eine Note zu veröffentlichen, in welcher jede Diskussion über ein solch' ehrenwerthes Unternehmen, welches der Staat selbst seiner Gunst würdigte, untersagt wurde. Der Crédit Viticole beruhte auf einem vorzüglichen Finanzsystem: er streckte den Weingartenbesitzern die Hälfte des Betrages vor, auf welchen deren Eigenthum geschätzt wurde, sicherte das Darlehen durch eine Hypothek und behob von den Parteien die Zinsen des Kapitals, sowie eine Anzahlung auf
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