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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zweite Frau nannte. Er lies ihnen eine unbeschränkte Freiheit, froh darüber, daß sie so gute Freunde waren, wodurch sich sein Haus mit geräuschvoller Heiterkeit füllte. Es war das übrigens ein gar merkwürdiges Haus. Die Thüren desselben gingen während des ganzen Tages auf und zu; die Dienerschaft unterhielt sich mit lauter Stimme; inmitten der funkelnagelneuen Pracht erschienen fortwährend ungeheure flatternde Damenröcke, ganze Züge von Lieferanten, die lärmende Schaar von Renée's Freundinen, die Kameraden Maxime's und die Besucher Saccard's. Letzterer empfing von neun bis elf Uhr die merkwürdigsten und verschiedensten Personen der Welt: Senatoren und Gerichtsvollzieher, Herzoginen und Modewaarenhändler, den ganzen Gischt, welchen die Pariser Stürme vor seine Thüre fegten; Seidenkleider, schmutzige Röcke, Blousen und schwarze Fräcke, die er mit dem stets gleichen geschäftigen Ton, denselben ungeduldigen und nervösen Bewegungen empfing. Er erledigte wichtige Geschäfte in zwei Worten, löste zwanzig Schwierigkeiten auf einen Hieb und fand Lösungen im Handumdrehen. Man hätte meinen sollen, daß dieser bewegliche kleine Mann, der eine sehr starke Stimme hatte, in seinem Kabinet mit den Leuten und Möbeln stritt und zankte, mit dem Kopfe gegen die Decke stieß, um demselben Gedanken zu erpressen und immer wieder siegreich auf seine Füße zurückfiel. Um eilf Uhr verließ er das Haus, wo man ihn während des ganzen Tages nicht wiedersah; er dejeunirte außerhalb des Hauses und oft nahm er auch das Diner auswärts ein. Dann gehörte das Haus Renée und Maxime. Sie nahmen das Arbeitszimmer des Vaters ein, öffneten dort die Sendungen der Lieferanten und allerlei Tand und werthloses Zeug breitete sich auf den wichtigsten Geschäftspapieren aus. Mitunter mußten ernste Persönlichkeiten Stunden lang vor der Thür des Arbeitszimmers warten, während der Schuljunge und die junge Frau auf dem Arbeitstische Saccard's sitzend, über ein neues Band beratschlagten. Renée ließ zehnmal während eines Tages anspannen. Nur selten speiste man zusammen; von den drei Personen der Familie streiften sicherlich immer zwei außerhalb des Hauses umher und kehrten gewöhnlich erst um Mitternacht heim. Es war das ein geräuschvolles Haus, den Geschäften und Zerstreuungen gewidmet, in welches das moderne Leben mit seinem Goldklange und seidenen Gewändern seinen rauschenden Einzug gehalten.
    Endlich befand sich Aristide Saccard in seinem Element. Er hatte gefunden, daß er zum großen Spekulanten geboren worden, der Millionen aus der Erde hervorstampfen müsse. Nach dem Meisterstreich in der Rue de la Pepinère stürzte er sich kühn in den Kampf, welcher Paris mit schmählichen Trümmern und glänzenden Triumphen zu füllen begann. Er wiederholte das alte Spiel, nunmehr mit aller Sicherheit, kaufte die Häuser an, die er der Spitzhaue verfallen wußte und benützte seine Freunde dazu, bedeutende Entschädigungssummen zu erwirken. Es traten Epochen ein, da er fünf oder sechs Häuser sein eigen nannte, – all' jene Häuser, die er ehedem auf so eigenthümliche Weise betrachtet hatte, als hätten dieselben bereits ihm gehört, als er nichts weiter als ein armer Wegekommissär gewesen. Dies bedeutete aber erst das Anfangsstadium der Kunst; so lange er die Miethskontrakte ausgenützt, mit den Inwohnern paktirt und Staat und Privatleute ausgebeutet, hatte es keiner besonderen Schlauheit bedurft und er war der Ansicht, daß es sich so gar nicht lohne. Und es währte nicht lange, so erprobte er sein Genie an schwierigeren Aufgaben.
    Vorerst erfand Saccard die Spiegelfechterei des Ankaufs von Immobilien unter dem Vorwande, daß dies für Rechnung der Stadt geschehe. Eine Entschließung des Staatsrathes hatte die letztere in eine schwierige Situation gebracht. Auf dem Wege gütlicher Uebereinkunft hatte die Stadt eine große Anzahl von Häusern in der Hoffnung angekauft, sie werde die Miethskontrakte ausnützen, den Miethern ohne Entschädigung aufkündigen können. Doch wurden diese Käufe für thatsächliche Expropriationen angesehen und sie mußte zahlen. Zu dieser Zeit machte sich Saccard anheischig, als Strohmann für die Stadt zu operiren; er kaufte, nützte die Kontrakte aus und lieferte das betreffende Haus gegen eine kleine Abfertigung zum festgesetzten Termin ab. Schließlich spielte er sogar ein doppeltes Spiel: er kaufte für die Stadt und den Präfekten zu gleicher Zeit. War ein Kauf gar zu verführerisch, so

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