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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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es durch, daß er den Namen seiner Frau annehmen durfte, was für ihn eine Befriedigung seiner Eitelkeit bedeutete. Seine Heirath aber hatte ihn mit einem tollen Ehrgeiz erfüllt und er träumte davon, als Gegenleistung für Helenens Adel sich eine hohe politische Stellung zu erwerben. Von diesem Augenblick an fütterte er die neuen Journale mit seinem Gelde, erwarb bedeutende Grundbesitzungen und bereitete sich mit allen bekannten Mitteln eine Kandidatur in die gesetzgebende Körperschaft vor. Bisher war es ihm nicht gelungen, über die Vorbereitungen hinauszukommen, ohne daß er darum etwas von seiner Würde eingebüßt hätte. Einen größeren Hohlkopf mochte es schwerlich jemals gegeben haben. Er hatte einen herrlich modellirten Kopf, das bleiche, nachdenkliche Gesicht eines großen Staatsmannes und da er es vortrefflich verstand, mit durchdringenden Blicken und einer majestätischen Ruhe des Gesichtes zuzuhören, so konnte man glauben, daß sich in seinem Inneren eine gewaltige Gedankenarbeit vollziehe und er Schlüsse und Vergleiche zu ziehen bemüht sei. In Wirklichkeit ober dachte er an gar nichts. Dagegen gelang es ihm, die Leute in Verlegenheit zu bringen, da man nicht mehr wußte, ob man es mit einem überlegenen Geiste oder einem Einfaltspinsel zu thun habe. Herr von Mareuil klammerte sich an Saccard wie an einen Rettungsanker. Er wußte, daß in dem Departement, in welchem seine Besitzungen gelegen waren, eine Neuwahl erforderlich sei und wünschte nichts sehnlicher, als daß ihn der Minister für dieselbe in Vorschlag bringe; dies war seine letzte Hoffnung. Darum auch lieferte er sich dem Bruder des Ministers auf Gnade und Ungnade aus. Saccard, der hier ein vortheilhaftes Geschäft witterte, legte ihm den Gedanken an eine Heirath zwischen seiner Tochter Luise und Maxime nahe. Der Andere erging sich in Dankesbetheuerungen, meinte dieses Heirathsprojekt schon längst im Stillen gehegt zu haben und schätzte sich glücklich, in die Familie eines Ministers gelangen und Luise mit einem jungen Manne verheirathen zu können, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigte.
    Luise sollte laut Angabe ihres Vaters eine Mitgift von einer runden Million erhalten. Mißgestaltet, häßlich und anbetungswürdig war sie verurtheilt, jung zu sterben; ein Brustleiden nagte heimtückisch an ihr und verlieh ihr eine nervöse Heiterkeit, eine schmeichelnde Anmuth. Kranke junge Mädchen altern schnell, werden vorzeitig zu Frauen. Sie besaß eine sinnliche Naivetät und schien mit fünfzehn Jahren vollkommen mannbar zur Welt gekommen zu sein. Wenn ihr Vater, dieser gesunde, baumstarke Riese sie anblickte, konnte er gar nicht glauben, daß sie seine Tochter sei. Ihre Mutter war bei Lebzeiten gleichfalls groß und stark gewesen; doch waren über sie Gerüchte im Umlauf, welche die Verkrüppelung dieses Kindes, sein zigeunerhaftes Betragen, seine lasterhafte, reizende Häßlichkeit erklärlich machten. Man behauptete, Helene von Mareuil sei infolge der schändlichsten Ausschweifungen gestorben. Die Vergnügungen hatten sie zerfressen und unterhöhlt gleich einem giftigen Geschwür, ohne daß der Gatte den augenscheinlichen Wahnsinn seiner Frau, um dessenwillen er sie in eine Irrenanstalt hätte bringen müssen, wahrgenommen hätte. Aus diesem kranken Mutterleibe hervorgegangen, war Luise schon bei ihrer Geburt blutarm, ihre Gliedmaßen mißgestaltet, das Gehirn angegriffen und die Erinnerung bereits von einem lasterhaften Leben erfüllt. Zuweilen glaubte sie sich undeutlich an eine andere Existenz zu erinnern und von wallenden Nebeln beschattet sah sie bizarre Scenen sich abspielen, Männer und Frauen, die sich umschlungen hielten, – ein ganzes Drama der Sinnlichkeit, an welchem sich ihre kindliche Neugierde ergötzte. Ihre Mutter sprach in ihr. Heranwachsend fühlte sie diese Erinnerungen nicht schwächer werden. Nichts setzte sie in Erstaunen; sie erinnerte sich an Alles, besser gesagt, sie wußte Alles und berührte verbotene Dinge mit einer Sicherheit, die sie einer Person ähnlich machte, die nach langer Abwesenheit endlich heimkehrt und blos den Arm auszustrecken braucht, um es sich behaglich zu machen und sich an ihrer Häuslichkeit zu erfreuen. Dieses merkwürdige Mädchen, dessen schlechte Instinkte denen Maxime's schmeichelten, welches aber eine kecke Unschuld, ein prickelndes Gemisch von Kindlichkeit und Kühnheit in diesem zweiten Leben besaß, das sie als Jungfrau mit dem Bewußtsein und Schamgefühl der reifen Frau

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