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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ungezwungenen Lebenswandel vor den Augen ihrer Dienstleute. Sie hatten das Haus unter sich getheilt und bewohnten dasselbe in einer Weise, als befänden sie sich gar nicht daheim, als wären sie nach einer tollen, betäubenden Reise in ein königlich eingerichtetes Hotel gerathen, wo sie sich knapp die Zeit nahmen, ihre Effekten auszupacken, um ja so rasch als möglich den Vergnügungen dieser neuen Stadt entgegenzueilen. Sie hielten sich daselbst nur des Nachts und an den Tagen der großen Diners auf, da eine Menge Geschäfte sie fortwährend durch die Stadt zu wandern nöthigte und sie zuweilen nur für eine Stunde heimkehrten, wie man etwa zwischen zwei Geschäften schnell sein Hotelzimmer aufsucht. Renée fühlte sich daselbst unruhiger, nervöser; ihre seidenen Röcke glitten mit schlangengleichem Zischen über die dicken Teppiche, an den seidenen Causeusen vorüber; sie fühlte sich gereizt durch diese läppischen Vergoldungen, die sie umgaben, durch diese hohen, leeren Deckengewölbe, in welchen nach den stattgehabten Festlichkeiten nichts als das Lachen der jungen Dummköpfe und die Phrasen der alten Hallunken zurückblieben. Um diese Pracht zu genießen, um sich an dieser glänzenden Umgebung zu erfreuen, hätte sie sich ein höchstes Vergnügen gewünscht, welches ihre gierigen Blicke vergebens in allen Ecken des Hotels, in dem kleinen sonnenhellen Salon, in dem in üppiger Vegetation strotzenden Wintergarten suchten. Was hingegen Saccard betraf, so begann sein Traum in Erfüllung zu gehen; er empfing die Mitglieder der hohen Finanzkreise bei sich, Herrn Toutin-Laroche, Herrn von Lauwerens, ebenso große Politiker, den Baron Gouraud, den Deputirten Haffner und sogar sein Bruder, der Minister, hatte sich zwei oder drei Mal bei ihm eingefunden, um durch seine Anwesenheit zur Festigung der Stellung des großen Spekulanten beizutragen. Aber auch dieser ward gleich seiner Frau von nervösen Befürchtungen ergriffen, von einer Unruhe, die seinem Lachen einen absonderlichen Klang wie von zerbrochenen Fensterscheiben verlieh. Er wurde so erregt, so geräuschvoll in seinem ganzen Gebühren, daß seine Bekannten von ihm sagten: »Dieser verteufelte Saccard! er verdient zu viel Geld und wird noch verrückt werden!« Im Jahre 1860 erhielt er seine Auszeichnung; offenbar als Belohnung für einen geheimnißvollen Dienst, welchen er dem Präfekten erwies, indem er bei dem Verkauf eines größeren Grundbesitzes einer Dame den Strohmann abgab.
    Es war ungefähr zur Zeit ihrer Uebersiedelung nach dem Park Monceau, als es für Renée ein Ereigniß gab, welches einen unverwischbaren Eindruck in ihr zurückließ. Bis lang hatte der Minister den Bitten seiner Schwägerin Widerstand geleistet, die zehn Jahre ihres Lebens darum gegeben hätte, wenn sie zu den Hofbällen geladen worden wäre. Jetzt endlich gab er nach, da er das Glück seines Bruders für endgiltig gesichert ansah. Während eines ganzen Monats vermochte Renée nicht zu schlafen. Endlich war der große Abend herangekommen, und am ganzen Leibe zitternd saß sie in dem Wagen, der sie nach den Tuilerien brachte.
    Sie trug eine Toilette, die ein Wunder an Anmuth und Originalität war, eine wahre Offenbarung, die ihr während einer schlaflosen Nacht geworden und welche drei Arbeiter Worms' bei ihr, vor ihren Augen ausführen mußten. Es war das eine einfache Robe aus weißer Gaze, bedeckt von einer Menge kleiner ausgezackter und mit schmalen schwarzen Sammtbändern benähter Falten. Der Ueberwurf aus schwarzem Sammt hatte einen tiefen, viereckigen Ausschnitt, den eine kaum fingerbreite Spitze einsäumte. Keine Blume, kein Band, blos an den Handgelenken ganz glatte Goldreifen und im Haar ein schmales, goldenes Diadem, ein glänzender Reif, der sie wie eine Aureole zu umgeben schien.
    Als sie in den Salons angelangt war und ihr Gatte sie verließ, um den Baron Gouraud aufzusuchen, empfand sie eine vorübergehende Verlegenheit. Doch die Spiegel, aus welchen ihr entzückendes Bild ihr entgegenblickte, beruhigten sie alsbald und sie gewöhnte sich an die warme Luft, an das Gemurmel der Stimmen, an dieses Gemisch schwarzer Fräcke und weißer Schultern, als der Kaiser erschien. Langsam schritt er am Arme eines untersetzten dicken Generals, der in einer Weise schnaufte, als litte er an einer beschwerlichen Verdauung, durch den Saal. Die Schultern rangirten sich zu beiden Seiten, während die schwarzen Fräcke instinktiv, bescheiden einen Schritt zurückwichen. Renée sah sich

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