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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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eine große Theilnahme und fand sich täglich viermal vor ihrer Thür ein, um sich verzweifelten Tones nach ihrem Befinden zu erkundigen, nur um sie zu necken. Am dritten Tag endlich fand er sie in dem kleinen Salon, mit rosigem, lächelndem Gesicht und ruhiger, zufriedener Miene.
    »Nun? hast Du Dich genügend mit Céleste amüsirt?« fragte er, auf die lange Unterredung anspielend, welche sie soeben mit ihrer Kammerdienerin gehabt.
    »Ja,« gab sie zur Antwort; »dies ist ein kostbares Mädchen. Sie hat stets eiskalte Hände, die sie mir auf die Stirne legte und derart meinen armen Kopf ein wenig beruhigte.«
    »Aber dann ist sie ja ein unbezahlbares Medikament, diese Person!« rief der junge Mann aus. »Wenn ich das Unglück hätte, mich jemals zu verlieben, so wirst Du sie mir doch leihen, nicht wahr, damit sie die beiden Hände mir auf's Herz legt.«
    Sie scherzten mit einander und unternahmen ihre gewohnte Ausfahrt nach dem Bois. So verflossen vierzehn Tage. Renée hatte mit größtem Eifer ihre frühere Lebensweise aufgenommen, machte Besuche, ging auf Bälle, ohne daß sie wieder über Abgespanntheit oder Ueberdruß geklagt hätte. Man wäre blos zu sagen versucht gewesen, sie habe insgeheim einen Fehltritt begangen, von welchem sie nicht sprach, welchen sie aber durch eine etwas schärfer hervortretende Selbstverachtung und eine noch gewagtere Verderbtheit in ihren Launen als Weltdame bekundete. Eines Tages gestand sie Maxime, daß sie vor Begierde vergehe, einem Ball bei Blanche Müller, einer sehr bekannten Schauspielerin, beizuwohnen, welchen dieselbe den Theaterprinzessinen und Halbweltköniginen gab. Dieses Verlangen überraschte den jungen Mann und brachte ihn in Verlegenheit, trotzdem er doch auch nicht sonderlich skrupulös veranlagt war. Er wollte seiner Stiefmutter die Sache ausreden; wahrlich, sie sei dort nicht an ihrem Platze, auch werde sie dort nichts Besonderes zu sehen bekommen, dagegen gäbe es einen Skandal, wenn man sie erkennen sollte. Auf all' diese Gründe hatte sie nur eine Antwort: sie faltete die Hände, lächelte und schmeichelte.
    »Ach, mein kleiner Maxime, sei liebenswürdig. Ich will es ... Ich werde einen dunkeln Domino anlegen und nur einmal mit Dir durch die Salons schreiten.«
    Als Maxime, der schließlich immer nachgab und der seine Stiefmutter auf ihr Verlangen an alle verrufenen Orte von Paris geführt hätte, eingewilligt hatte, sie auf den Ball der Blanche Müller zu führen, klatschte sie in die Hände wie ein Kind, dem eine unverhoffte Zerstreuung zutheil geworden.
    »Du bist ein guter Junge,« sagte sie. »Also morgen, nicht wahr? Hole mich nur sehr früh ab. Ich will schon zugegen sein, wenn die Damen erst anlangen. Du wirst mir die Namen derselben nennen und wir werden uns ausgezeichnet amüsiren ...«
    Und nach einigem Nachdenken fügte sie hinzu:
    »Nein; hole mich nicht ab, sondern erwarte mich in einem Fiaker auf dem Boulevard Malesherbes. Ich werde das Haus durch den Garten verlassen.«
    Dieses Geheimniß war ein Gewürz, womit sie den Reiz ihres Streiches erhöhte, nicht weiter als ein Kunstgriff zur Vermehrung des Genusses, denn selbst wenn sie um Mitternacht zum großen Thor hinausgegangen wäre, so hätte ihr Gatte dieserhalb nicht einmal den Kopf zum Fenster hinausgesteckt.
    Nachdem sie am nächsten Abend Céleste angewiesen hatte, ihre Rückkehr abzuwarten, eilte sie unter den Schauern einer köstlichen Angst durch die dunklen Baumgänge des Monceau-Parkes. Saccard hatte sich sein gutes Einvernehmen mit der Stadt zu Nutze gemacht, um sich den Schlüssel zu einer kleinen Tür des Parkes geben zu lassen und Renée hatte gleichfalls einen solchen besitzen wollen. Sie verirrte sich beinahe und fand den Fiaker nur dank den zwei gelben Augen seiner Laternen. In dieser Zeit lag der kaum vollendete Boulevard Malesherbes des Abends beinahe gänzlich vereinsamt da. Die junge Frau schlüpfte in den Fiaker; sie war sehr aufgeregt und ihr Herz pochte so köstlich, als hätte sie sich zu einem Liebesrendezvous begeben. Halb schlummernd lag Maxime in einer Ecke des Fiakers und rauchte philosophisch seine Zigarre. Er wollte den Glimmstengel fortwerfen, sie aber hinderte ihn daran und wie sie in der Dunkelheit seinen Arm zurückzuhalten suchte, kam ihre ganze Hand auf sein Gesicht zu liegen, worüber Beide herzlich lachten.
    »Ich sage Dir ja, daß ich den Tabaksrauch liebe,« rief sie aus. »Behalte nur Deine Zigarre... Heute Abend wollen wir einmal ausschreiten... und

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