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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sich bereits zu ergeben begann. Und als der junge Mann den Arm um ihren Leib schlang, sagte sie mit ihrem verlegenen und halb erlöschendem Lächeln:
    »Laß mich ... Du thust mir weh.«
    Doch murmelten nur mehr ihre Lippen diese Worte. In der tiefen Stille des Kabinets, welches von den Flammen des Kronleuchters hell erleuchtet wurde, fühlte sie den Boden unter sich erzittern und vernahm sie das Gerassel des Batignoller Omnibus, der um die Ecke des Boulevards biegen mußte. Und die Sache wurde vollbracht. Als sie dann wieder neben einander auf dem Divan saßen, stotterte er inmitten des Unbehagens, welches sich Beider bemächtigt hatte:
    »Bah! früher oder später mußte es geschehen,«
    Sie sagte kein Wort, sondern betrachtete gleichsam niedergeschmettert das Rosen-Muster des Teppichs.
    »Hattest Du daran gedacht? fuhr Maxime noch immer stotternd fort. »Ich gewiß nicht... Doch hätte ich gegen dieses Kabinet Mißtrauen haben sollen ...«
    Und nun sprach sie mit tiefer Stimme, als hätte dieser Fehltritt die ganze spießbürgerliche Ehrsamkeit der Familie Béraud du Châtel in ihr erweckt:
    »Was wir da gethan, ist niederträchtig!« Sie war vollkommen ernüchtert, ihr Gesicht schien mit einem Male gealtert und hatte einen ernsten Ausdruck.
    Der Athem versagte ihr. Sie schritt zum Fenster, schlug die Läden zurück und lehnte sich hinaus. Das Orchester war verstummt, der Fehltritt unter den letzten Tönen des Basses und bei dem entfernten Singen der Violinen begangen worden, die als gedämpfte Schallwellen von dem schlafenden und von Liebe träumenden Boulevard heraufdrangen. Unten dehnte sich die Straße schweigend, inmitten der grauen Einsamkeit aus. Die dumpf rollenden Räder der Fiaker waren verschwunden und hatten Licht und Leute mit sich genommen. Unter dem Fenster war es auch schon ganz dunkel; das Café Riche war ebenfalls geschlossen worden und kein Lichtstrahl drang durch die eisernen Läden. Auf der anderen Seite der Avenue beleuchteten nur mehr vereinzelte Lichter die Façade des Café Anglais, unter anderem ein halb geöffneter Fensterflügel, aus welchem unterdrücktes Lachen vernehmbar wurde. Und längs dieses großen Schattenreiches, von der Ecke der Rue Drouot bis zum anderen Ende, so weit ihr Auge reichte, sah sie nichts weiter als die symmetrischen Flecken der Kioske, welche mit je einem Flämmchen versehen, die Nacht nicht zu erhellen vermochten und an Nachtlampen erinnerten, die in einem großen Schlafgemach aufgestellt waren. Renée hob den Kopf empor. Die Bäume streckten ihre Arme zu dem hellen klaren Himmel empor, während die unregelmäßige Linie der Häuser sich gleich einer zerrissenen Felskante am Rande eines bläulich schimmernden Meeresspiegels in's Unabsehbare zu verlieren schien. Dieser heitere Himmel stimmte sie aber noch trauriger und nur der in Dunkelheit gehüllte Boulevard bot ihr einigen Trost. Was der Lärm und das Laster des Abends daselbst zurückgelassen, entschuldigte sie. Sie meinte die Wärme all' der Männer und Frauen zu verspüren, die über dieses Trottoir geschritten, welches bereits zu erkalten begonnen. Die Schande, die sich hier geoffenbart, die Begierden einer Minute, die mit leiser Stimme gemachten Anerbietungen und die im Vorhinein bezahlten Vergnügungen einer Nacht, – all' Dies löste sich in eine schwere Dunstwolke auf, welche der Morgenwind vor sich einhertrieb. In die Dunkelheit hinausgeneigt, athmete sie diese erschauernde Stille, diesen Alkovenduft ein, gleich einer Ermuthigung, welche ihr von unten wurde, gleich einer Versicherung, daß die von ihr empfundene Schmach von einer ganzen Stadt getheilt werde. Und als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, gewahrte sie die Frau in dunklem Kleide mit weißen Spitzen, die allein inmitten der grauen Einsamkeit, noch immer an derselben Stelle stand und sich den leeren Schatten anbot.
    Als sich die junge Frau in das Zimmer zurückwendete, erblickte sie Charles, der schnüffelnd umherblickte. Endlich entdeckte er das blaue Band Renée's, welches ganz zerdrückt, in einer Ecke des Diwans vergessen worden. Er beeilte sich, ihr dasselbe mit seiner höflichen Miene zu überreichen. Dies brachte ihre Schmach ihr voll zum Bewußtsein. Vor dem Spiegel stehend, versuchte sie mit ungeschickten Händen das Band neuerdings um ihren Kopf zu schlingen. Der Knoten, in welchen ihre Haare gewunden waren, hatte sich losgelöst, die kleinen Löckchen waren an den Schläfen ganz platt gedrückt und sie vermochte

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