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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sich die junge Frau zu Maxime, da sie etwas wie Uebelkeit empfand.
    Maxime schickte ihn hinaus; doch kaum war er verschwunden, als er abermals erschien, um mit diskreter Miene die großen Fensterläden zu verschließen. Als er endlich gegangen war, stand der junge Mann, der gleichfalls ungeduldig geworden, auf, und indem er zur Thür schritt, sagte er:
    »Warte; ich habe ein Mittel, um sein Wiederkommen zu verhindern.
    Und damit stieß er den Riegel vor.
    »So,« bemerkte Renée, »jetzt sind wir wenigstens allein.«
    Ihr Geplauder und ihre Vertraulichkeiten begannen von Neuem. Maxime hatte eine Zigarre angezündet, während Renée ihren Kaffee in kleinen Zügen trank und sich sogar zu einem Gläschen Chartreuse verstieg. Die Temperatur des kleinen Gemaches stieg höher und bläulicher Rauch begann sich in demselben auszubreiten. Renée setzte schließlich die beiden Ellenbogen auf den Tisch und stützte das Kinn zwischen die zwei halbgeschlossenen Fäuste. Durch den leichten Druck erschien ihr Mund kleiner, ihre Wangen wurden ein wenig in die Höhe gedrückt und die etwas zusammengekniffenen Augen funkelten noch mehr. Solcherart verschoben, war ihr kleines Gesichtchen reizend anzusehen mit den dichten, goldigen Löckchen, die ihr jetzt bis zu den Augenbrauen reichten. Maxime betrachtete sie durch den Rauch seiner Zigarre hindurch. Sie dünkte ihm originell. Zuweilen war er für einige Sekunden ihres Geschlechts nicht sicher; die große Falte, die ihre Stirne durchquerte, der schmollende Ausdruck der vorgeschobenen Lippen, ihre unentschiedene Miene, deren Grund in ihrer Kurzsichtigkeit lag, ließen sie als einen großen jungen Mann erscheinen, zumal ihre lange Blouse aus schwarzem Satin ihr so hoch unter das Kinn reichte, daß man kaum einen Streifen des weißen vollen Halses sehen konnte. Und sie ließ sich ansehen, lächelnd, ohne den Kopf abzuwenden, wobei ihr Blick in's Leere zu schweifen und ihr das Sprechen immer schwerer zu fallen schien.
    Dann fuhr sie plötzlich empor und erhob sich, um den Spiegel zu betrachten, zu welchem ihre Augen seit einem Moment unentschlossen hinüberschweiften. Sie stellte sich auf die Fußspitzen und stützte sich mit den Händen auf den Rand des Kamins, um diese Unterschriften und gewagten Bemerkungen zu lesen, welche sie vor dem Souper erschreckt hatten. Sie sprach die einzelnen Silben mit einiger Schwierigkeit aus, lachte und las weiter gleich einem Schüler, der unter dem Pulte in einem verbotenen Buche blättert.
    »Ernst und Klara«, las sie; »und ein Herz darunter, welches einem Trichter gleicht ... Ah, das ist hier besser: »Ich liebe die Männer, weil ich die Trüffeln liebe.« Unterschrieben, Laura«. Sag' 'mal Maxime, hat die Aurigny dies geschrieben? ... Dann sieh hier, das Wappen dieser Damen; ich denke, es soll eine Henne vorstellen, die eine Pfeife raucht ... Und nichts als Namen, ein ganzer Kalender: Viktor, Amalie, Alexander, Eduard, Margarethe, Paquita, Luise, Renée ... Ah, Eine, die so heißt wie ich ...«
    Maxime sah ihren glühenden Kopf im Spiegel. Jetzt reckte sie sich noch mehr empor und ihr Domino, der dadurch rückwärts ganz angespannt wurde, beschrieb scharf die Krümmung ihrer Taille, die Wölbung der kräftig entwickelten Hüften. Der junge Mann folgte der Linie, welche der straff wie ein Hemd anliegende Satin zeichnete. Auch er stand auf und warf seine Zigarre weg. Er fühlte sich unbehaglich, unruhig. Etwas, woran er gewöhnt war, was er niemals vermißte, fehlte ihm heute.
    »Und hier ist sogar Dein Name, Maxime,« rief Renée aus. »Höre einmal ... »Ich liebe« ...«
    Er aber hatte sich auf den Rand des Divans niedergelassen, so daß er fast zu den Füßen der jungen Frau zu sitzen kam. Mit einer plötzlichen Bewegung gelang es ihm, ihre Hände zu erfassen; dadurch zog er sie fort von dem Spiegel, wobei er mit sonderbar klingender Stimme sagte:
    »Ich bitte Dich, lies das nicht!«
    Sie wehrte sich und lachte dabei nervös.
    »Weshalb denn nicht? Bin ich nicht Deine Vertraute?«
    Er aber ließ sie nicht los, sondern sagte erstickten Tones:
    »Nein, nein, heute Abend nicht.«
    Er hielt noch immer ihre Hände fest und sie zerrte schwach an den Gelenken, um sich zu befreien. Beider Augen hatten einen Ausdruck, den sie noch niemals gesehen; ihre Lippen lächelten gezwungen und ein wenig beschämt. Sie sank in die Kniee am Rande des Divans; dabei fuhren sie fort, mit einander zu ringen, obschon Renée keine Bewegung mehr nach dem Spiegel machte und

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