Die Treue des Highlanders (German Edition)
ich durchgemacht habe, als du damals in dem See verschwunden und nicht mehr aufgetaucht bist?«
»Die Polizei sagte, du hast alles absuchen lassen.«
Bruce nickte. »Jeden Stein haben wir umgedreht, aber von dir und diesem Mann keine Spur. Anna, was ist geschehen? Wer war der Mann, und wohin bist du mit ihm gegangen?«
»Wieso glaubst du, ich wäre mit Duncan fortgegangen?« Anna wich seinem Blick aus und nestelte an einer Ecke der Bettdecke. »Er hat damit nichts zu tun.«
Mit zwei Fingern nahm Bruce Annas Kinn und zwang sie, ihm ins Gesicht zu schauen. »Ich kann deine Wut verstehen, die du damals auf mich hattest, darum mache ich dir keinen Vorwurf, dass du mit einem anderen verschwunden bist. Aber musste es auf eine so dramatische Art und Weise sein? Hättest du mir nicht einmal ein Lebenszeichen schicken können? Der Film ist natürlich auch geplatzt, denn so schnell war keine Schauspielerin zu finden, die deinen Part hätte übernehmen können.«
»Der Film ... ach ja ...« Für Anna lagen die Erlebnisse des letzten Sommers in so weiter Ferne, als wären sie in einem anderen Leben geschehen. »Es tut mir leid, habt ihr viel Geld verloren?«
»Es geht, ich habe das Projekt nur verschoben und nicht gestrichen. Ich wusste, eines Tages kommst du wieder, und dann werden wir den Film realisieren.«
»Bruce, ich werde niemals wieder vor der Kamera stehen.« Ganz spontan hatte Anna die Worte ausgesprochen, und erst danach wurde ihr bewusst, wie ernst es ihr damit war. Um eine Diskussion zu vermeiden, hob sie abwehrend die Hände, als Bruce etwas sagen wollte. »Bitte, lass uns jetzt nicht darüber sprechen. Ich möchte so schnell wie möglich hier raus und nach Glenmalloch.«
»Nach Glenmalloch?« Bruce zweifelte an ihrem Verstand. »Was, um Himmels willen, willst du dort?«
»Ich habe etwas zu erledigen.« Anna stand auf und suchte nach ihren Sachen, aber erst, als sie die Schränke leer vorfand, erinnerte sie sich daran, dass sie ja mit einem Kleid aus dem sechzehnten Jahrhundert in die Gegenwart zurückgekehrt war. Schmutzig und zerrissen hatte man das Stück sicher schon entsorgt. So schwer es ihr fiel, aber sie musste Bruce darum bitten, ihr Unterwäsche, eine Jeans, einen Pullover und ein paar Schuhe aus einem Geschäft in Inverness zu besorgen.
Während Anna auf Bruce’ Rückkehr wartete, erhielt sie erneut Besuch. Dieses Mal war es eine Frau, ungefähr Mitte vierzig, mit einer strengen Kurzhaarfrisur und hohen, markanten Wangenknochen.
»Sie wünschen?«, begrüßte Anna sie nicht gerade freundlich.
Die Frau streckte ihr die Hand entgegen. »Guten Tag, Miss Wheeler, mein Name ist Jefferson. Ruth Jefferson, ich hätte mich gerne einmal mit Ihnen unterhalten.«
»Worüber? Wenn Bruce Sie geschickt hat ...«
»Nein, nein, ich bin Polizeipsychologin. Kommissar McLairn hat mir Ihren Fall geschildert, der mich sehr interessiert.«
Sie rückte ihre Brille mit dem dunklen Gestell zurecht und setzte sich auf die Bettkante. Anna schmunzelte. Eine Psychologin also! Wie sie wohl reagieren würde, wenn Anna ihr erzählte, dass sie ein halbes Jahr in der Vergangenheit gelebt hatte? Dass sie zusammen mit Maria Stuart gespeist, gesungen und der schottischen Königin den Wiener Walzer beigebracht hatte? Plötzlich wurde Annas Gesicht ernst. Ja, sie wusste, was mit ihr geschehen würde. Man würde sie in eine psychiatrische Anstalt bringen und ihr sagen, dass es nur zu ihrer eigenen Sicherheit wäre. Dann würde man ihr Psychopharmaka geben, und solange Anna darauf beharrte, in der Vergangenheit gewesen zu sein, würde sie die Anstalt nicht wieder verlassen. Ebenso, wie sie in Duncans Zeit hatte verschweigen müssen, woher sie kam, durfte sie jetzt niemandem von ihren Erlebnissen erzählen.
»Wenn Sie gekommen sind, um zu erfahren, wo ich die vergangenen Monate verbracht habe, so war Ihr Weg umsonst«, sagte Anna bitter. »Warum kann niemand akzeptieren, dass ich nicht darüber sprechen möchte?«
»Weil Sie es selbst nicht akzeptieren«, unterbrach Ruth Jefferson.
»Was meinen Sie damit?«
»Nun, Sie haben offenbar etwas erleben müssen, das Sie versuchen, aus Ihrem Bewusstsein zu verbannen, indem sie es ignorieren. Das wird Ihnen aber nicht gelingen, daher ist es besser, darüber zu sprechen. Mag es auch noch so schmerzhaft sein.«
Anna beugte sich vor und sah der Psychologin fest in die Augen. »Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht ...«
Ruth Jefferson hielt Annas Blick stand. Sie hatte in ihrer zwanzigjährigen Laufbahn
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