Die Treue Des Highlanders
selbst genähten Unterhosen dankbar, denn die Vorstellung, sich in einer Zeit, in der Antibiotika unbekannt waren, eine Blasenentzündung zu holen, war alles andere als verlockend. Claire hatte über Annas Unterwäsche zuerst gelacht, dann aber eine Hose anprobiert.
»Es ist zwar ein komischen Gefühl, etwas so dicht zwischen den Beinen zu haben«, hatte sie errötend gesagt, »aber es hält in der Tat warm. Darf ich mir auch so eine Hose nähen?«
Anna hatte lachend zugestimmt, und bald trugen alle Mädchen, mit denen Anna das Zimmer teilte, Unterhosen. Sie achteten allerdings streng darauf, dass Lady Argyll nichts davon erfuhr. Instinktiv wusste Anna, dass die strenge Dame keinen Sinn fürs Moderne hatte.
Maria Stuart stand am Fenster ihres Gemachs in Stirling Castle und blickte auf die verschneite Landschaft hinaus. Der Lustgarten am Fuße der Mauern, der wegen seiner verschlungenen Anlagen und der erhöhten, geometrisch angelegten Terrassen King’s Knot genannt wurde, war nur noch eine einzige weiße Fläche. Maria erinnerte sich vage daran, wie sie dort unten als Kind mit ihren Freundinnen und ihren kleinen, zähen Shetlandponys Wettrennen veranstaltet hatte, bis sie dann plötzlich nach Frankreich gebracht worden war. Obwohl seitdem Jahre vergangen waren, stand die Erinnerung an diese unbeschwerte Zeit der Kindheit klar und deutlich vor Marias Augen. Hier in Stirling Castle war sie zur Königin gekrönt worden, auch wenn sie daran keinerlei Erinnerungen hatte, war sie damals ja erst wenige Monate alt gewesen. Morgen würde ihr Sohn hier getauft und eines Tages, so wie alle schottischen Monarchen, in den alten Mauern zum König gekrönt werden. Bis dahin war aber noch sehr viel Zeit, denn selten hatte sich Maria gesünder, unbeschwerter und glücklicher gefühlt als an diesem Tag. Obwohl sie erst kürzlich dem Tod im letzten Moment von der Schippe gesprungen war, fühlte Maria in sich eine Stärke, die sie nie zuvor gekannt hatte. Maria lächelte still in sich hinein. Sie wusste, auf was ihr Hochgefühl begründet war – sie liebte und sie wurde geliebt! Mit sechzehn Jahren war sie mit dem französischen Dauphin Franz vermählt worden, dem gegenüber sie eine tiefe Zärtlichkeit empfunden hatte, die aber mehr schwesterlicher Natur gewesen war. Als der jüngere und stets kränkliche Franz kurz nach seiner Thronbesteigung gestorben war, hatte Maria zwar Trauer, aber keine Verzweiflung über den Verlust empfunden. Maria dachte an die ersten Monate ihrer Ehe mit Darnley. Ja, damals war sie auch glücklich gewesen, ähnlich wie jetzt, und doch waren ihre Gefühle nun anders. Sie hatte sich in Darnleys hübsches Gesicht verliebt, ohne seinen wahren Charakter dahinter zu erkennen, trotzdem war sie glücklich gewesen, besonders, als sie feststellte, ein Kind zu erwarten. Maria stockte und trat einen Schritt vom Fenster weg. Sie legte beide Hände auf ihren Bauch, und ihr Herz begann ein paar Takte schneller zu schlagen. Konnte es denn sein? Nein, sie musste sich irren. Die Aufregungen der letzten Wochen und ihre schwere Krankheit waren dafür verantwortlich zu machen, dass bei ihr etwas durcheinander geraten war, obwohl Maria nie zuvor Probleme damit gehabt hatte. Und dennoch – die morgendliche Übelkeit hatte nichts mehr mit der Krankheit zu tun, und das Ziehen in ihren Brüsten musste eine andere Ursache haben.
»Gott, hilf mir!«, flehte Maria und faltete die Hände. Sie wusste, was es bedeutete, wenn sie schwanger war: Sie musste so schnell wie möglich wieder mit Darnley das Bett teilen, damit weder er noch das schottische Volk Verdacht schöpften. Maria schüttelte sich vor Widerwillen. Die Vorstellung, Zärtlichkeiten mit ihrem Ehemann auszutauschen, erzeugte ein Gefühl der Übelkeit, aber es war vonnöten, denn niemand durfte jemals erfahren, dass nicht Darnley, sondern Bothwell für das wachsende Leben in ihrem Leib verantwortlich war.
»Bothwell ...« Allein, wenn sie seinen Namen aussprach, empfand sie eine tiefe Zärtlichkeit. Wie würde er auf die Nachricht reagieren? War es nicht besser, auch ihn in dem Glauben zu lassen, sie und Darnley hätten sich ausgesöhnt? Aber konnte Maria den Geliebten, der sie so gut kannte wie kein anderer Mensch auf dieser Welt, wirklich belügen und ihm das Schönste im Leben zweier Liebenden verschweigen?
»Fort mit diesen Gedanken!«, rief Maria laut und setzte sich an ihren Schreibtisch. Es gab noch einiges für die morgige Taufe zu erledigen, sie würde jetzt nicht
Weitere Kostenlose Bücher