Die Treue Des Highlanders
schämte sich Anna wegen dieser Gedanken. Kein Mensch hatte es verdient, dass man ihm den Tod wünschte.
»Ich habe gehört, die Königin sei gewillt, ihm noch einmal alles zu verzeihen. Sie will nicht Böses mit Bösem vergelten und sagte, sie sei mit ihm verheiratet, und es sei ihre Pflicht, in schweren Stunden an der Seite ihres Mannes zu sein.«
»So, wie Darnley an ihr Krankenbett eilte, als Maria in Jedburgh mit dem Tode rang«, bemerkte Anna ironisch. »Nun, hoffen wir mal, dass sie nicht zu lange fortbleibt, denn es ist hier schon langweilig genug.«
»Dann lass uns Mühle spielen«, rief Claire.
»Okay«, murmelte Anna und holte Brett und Steine hervor. Was hätte sie sonst auch tun sollen?
Zwölf Tage später war Maria Stuart wieder zurück in Edinburgh. Darnley begleitete sie, in einer Sänfte gebettet. Es war ein offenes Geheimnis, dass er an der
Französischen Krankheit
litt, die langsam, aber sicher seine Haut zerfraß. Sein Gesicht war mit einer Halbmaske bedeckt, um die eitrigen Geschwüre zu verbergen, und er war zu schwach, um auch nur wenige Schritte zu laufen. Darnley besaß seit kurzem ein Haus direkt an der Stadtmauer Edinburghs, nur einen Steinwurf von den Gärten von Holyrood entfernt, das auf Order der Königin binnen weniger Tage geputzt und eingerichtet worden war. Dorthin wurde der kranke Darnley gebracht, denn er weigerte sich, seine Räume im Palast zu beziehen. Maria residierte wieder in Holyrood, aber noch am Abend ihrer Ankunft ging sie über die Wiese zu der kleinen Pforte, die sie direkt von Holyrood zu dem Haus Kirk o’Field führte. Sie blieb mehrere Stunden bei Darnley, und es war bereits dunkel, als sie sichtlich erschöpft zurückkehrte und forderte, man möge ihr sofort warmes Ale bringen. Anna zögerte keinen Moment, der Augenblick des Handelns war nun gekommen. Sie nahm der Magd den Krug mit dem Bier ab und betrat das Zimmer der Königin.
»Lady Anna? Ihr seid es?« Maria Stuart sah müde aus und bat Anna, das Bier auf einen Tisch zu stellen.
Anna tat wie befohlen, dann blieb sie zögernd stehen. »Majestät, ich möchte Euch bitten, Euren Mann davon zu überzeugen, dass er im Palast besser aufgehoben ist.«
»Wie bitte?« Marias Kopf ruckte nach oben, in ihren Augen stand Fassungslosigkeit, aber Anna sprach schnell weiter, bevor sie Mut verließ:
»Bitte glaubt mir, dass ein großes Unglück geschehen wird, wenn Darnley weiter in diesem Haus bleibt. Er muss unter ständiger Aufsicht sein. Ihr müsst Euren Mann an Eure Seite holen!«
»Wer oder was seid Ihr?« Maria musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. »Eine Wahrsagerin? Oder gar eine Hexe? Wie könnt Ihr es wagen, mir, Eurer Königin, zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe?«
Abwehrend hob Anna die Hände. »Majestät, ich bin nur eine einfache Frau, trotzdem
weiß
ich, dass Darnley in diesem Haus etwas Böses geschehen wird. Ihr wollt doch nicht seinen Tod?«
Marias Stimme wurde sehr leise, aber auch sehr ärgerlich, als sie sagte: »Lady Anna, bisher habe ich Eure munteren Spielchen, Tänze und Lieder geschätzt, und sie haben mich unterhalten. Auch vergesse ich nicht, wie Ihr versucht habt, in Jedburgh meine Leiden zu lindern. Nun solltet Ihr aber nicht vergessen, wer vor Euch steht, und Eure Zunge hüten. Ich könnte mich sonst gezwungen sehen, Euren Cousin zu bitten, Euch nach Irland zurückzuschicken.«
»Aber Majestät, so glaubt doch ...«
»Genug! Ich will nichts mehr hören! Geht jetzt, oder soll ich erst die Wachen rufen?«
Langsam wich Anna zurück. »Das ist nicht nötig, ich lasse Euch allein. Warum wollt Ihr nicht verstehen, dass mir nur Euer Wohl am Herzen liegt?«
»Hinaus! Und wagt es nicht, mir wieder unter die Augen zu kommen«, schrie Maria. »Ich bin Eurer Unterhaltung überdrüssig, es steht Euch frei, den Hof noch heute zu verlassen!«
Demonstrativ drehte Maria Anna den Rücken zu, aber Anna sah, wie ihre Schultern bebten.
»Es tut mir Leid, meine Königin«, murmelte Anna, öffnete seufzend die Tür und verließ das Zimmer. Sie hatte es versucht, aber es war sinnlos gewesen. Sie konnte doch unmöglich vor Maria hintreten und sagen: »Ich komme aus der Zukunft und weiß, dass Ihr eines Tages enthauptet werdet.«
Vielleicht war es wirklich das Beste, die Stadt zu verlassen und den Dingen ihren Lauf zu lassen, aber nach kurzem Überlegen entschied sich Anna zu bleiben, solange noch Hoffnung bestand, die kommenden dramatischen Ereignisse zu verhindern.
Wohlig räkelte sich Darnley in
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