Die Treue Des Highlanders
edel und hilfsbereit waren wie die literarische Vorlage.
Nach vier Tagen hatten sie ihr Ziel erreicht, und jetzt lag die Burg von Edinburgh in der untergehenden Sonne strahlend vor ihnen. Anna, die vor zwei Jahren einmal beim
Edinburgh Festival
und beim weltberühmten
Military Tattoo
gewesen war, stellte fest, dass sich die Burg in den vielen Jahrhunderten kaum verändert hatte. Zumindest nicht aus der Ferne, denn je näher sie sich aus Westen der Stadt näherten, desto mehr fiel Anna die Ärmlichkeit der Häuser auf, die sich im einundzwanzigsten Jahrhundert fabelhaft restauriert den Touristen darboten. Sie passierten das Stadttor und stiegen ab, denn hier herrschte ein derartiges Gedränge, dass zu Pferd kein Durchkommen war. Obwohl über vierhundert Jahre dazwischenlagen, erkannte Anna, dass sie sich in der Royal Mile befanden.
»Wohin gehen wir? In den Holyrood Palast?«, fragte sie Duncan.
»Natürlich nicht, wir beziehen Quartier innerhalb der Stadtmauern bei einem Freund in der High Street. Wir müssen erst um eine Audienz bei der Königin bitten.«
»Ich dachte, wir würden in Holyrood wohnen«, antwortete Anna und betrachtete skeptisch die schmalen, hohen Häuser und den Unrat auf der Straße. Der Gestank war unbeschreiblich, und wenn Anna die Zustände im Dorf Glenmalloch schon unerträglich gefunden hatte, so war es hier schlimmer. Wo so viele Menschen zusammengepfercht lebten, gab es auch Dreck und Gestank. Die Aussicht, mittendrin zu wohnen, war für Anna alles andere als verlockend.
Duncan hielt vor einem schmalen, vierstöckigen Haus, band sein Pferd an und gebot Anna, es ihm gleichzutun.
Anna sah sich um und stieß Duncan in die Rippen. »Da hol mich der Teufel, aber das Haus von John Knox sieht fast genauso aus wie in vierhundertvierzig Jahren!«
»Sei leise!«, zischte Duncan und zog sie aus Nevilles Hörweite. Er folgte Annas Blick und fragte: »Woher weißt du, dass dort John Knox wohnt?«
»Na, weil in meiner Zeit das Haus ein Museum ist, das ganz und gar dem Reformator gewidmet ist und Tausende von Besuchern anzieht. Eigentlich ist die ganze Altstadt ein einziges Museum, wenngleich in einem erheblich besseren Zustand und wesentlich sauberer.«
Demonstrativ rümpfte Anna die Nase, aber Duncan war über das eben Gehörte offensichtlich entsetzt. »Du willst damit sagen, dass der Ruf von Knox über Jahrhunderte erhalten geblieben ist, dass ihm sogar ein Museum gewidmet worden ist?«
Anna nickte. »Ich sagte dir doch, dass Maria Stuarts Sohn James unter dem Einfluss des Earl of Moray und John Knox protestantisch erzogen und König von England und Schottland werden wird.«
»Das müssen wir verhindern!« Grimmig klopfte Duncan an die Holztür.
»Glaubst du wirklich, es steht in unserer Macht, die Geschichte zu ändern?«
Duncan wurde einer Antwort enthoben, als die Tür geöffnet wurde und ein älterer Mann erfreut rief: »Duncan Cruachan! Schön, dass du wieder in der Stadt bist! Komm doch herein, ich werde sofort veranlassen, dass dein Zimmer hergerichtet wird.«
Duncan schob Anna vor sich in den schmalen Hausflur. »Einen schönen Tag, Master Geddes. Darf ich dir meine Cousine Lady Anna Wheeler vorstellen? Ich bin gekommen, um sie der Königin vorzustellen. Wir hoffen, sie findet eine Anstellung bei Hofe.«
Master Geddes verbeugte sich vor Anna, die ein Kichern unterdrücken musste. Noch nie hatte ein Mann vor ihr das Knie gebeugt.
»Seid unser Gast, Lady Anna. Mein Haus ist Euer Haus. Ich werde gleich meine Frau rufen, damit sie Euch Euer Zimmer zeigt. Ich hoffe, unser bescheidenes Heim genügt Euren Ansprüchen.«
»Das wird es ganz sicher!«, sagte Duncan schnell und warf Anna einen so scharfen Blick zu, dass sie nur leise stammelte:
»Ich danke Euch.«
Nach einem reichhaltigen Abendessen, bei dem Anna der Hausherrin Kathleen Geddes, einer schwergewichtigen und gutmütigen Frau, vorgestellt wurde, zog sich Duncan früh zurück. Anna blieb nichts anderes übrig, als es ihm gleichzutun, obwohl sie vor Tatendrang nur so strotzte und am liebsten gleich die ganze Stadt erkundet hätte. Sie war kaum zehn Minuten in ihrem Zimmer, als die Tür geöffnet wurde und Duncan hereinhuschte. Annas Herz schlug ein paar Takte schneller, aber bevor Duncan sein Kommen erklärte, wusste sie, dass der Grund nicht in dem Wunsch nach einem heimlichen Stelldichein lag.
»Wir müssen aufpassen, dass Geddes uns nicht zusammen sieht, daher müssen wir leise sprechen. Morgen werde ich um eine Audienz bei der Königin
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