Die Treue Des Highlanders
verhalten musste, hatte Duncan ihr letzte Nacht gezeigt. Sie durfte Maria Stuart nicht anstarren und musste warten, bis diese das Wort an sie richtete, erst dann durfte sie sich erheben.
»Lord Duncan, wie schön, Euch wieder an meinem Hof zu sehen!« Marias Stimme klang wie das Singen eines Frühlingsvogels in Annas Ohren. Aufgewachsen und erzogen in Frankreich, fehlte ihrer Aussprache der typische harte schottische Klang.
»Majestät, ich bin gekommen, um Euch meine Treue, Hilfe und, wenn nötig, mein Schwert anzubieten.«
»Ich danke Euch, Mylord. Die Gastfreundschaft Eurer Familie ist mir unvergesslich. Ich hoffe, Eure Frau Mutter und Eure Schwestern erfreuen sich guter Gesundheit?«
Annas Oberschenkel begannen in der ungewohnten Haltung zu zucken. Sie befürchtete, einen Krampf zu bekommen und gleich der Länge nach vor dem Thronsessel auf den Boden zu fallen. Hoffentlich hatten die zwei ihre höfliche Konversation bald beendet, und Duncan konnte zum eigentlichen Zweck des Besuches kommen.
»Meine Familie schickt die besten Grüße an Eure Majestät«, antwortete Duncan. »Ich selbst wage es, mit einer großen Bitte an Euch heranzutreten.«
Na endlich, dachte Anna, die meinte, den Knicks keinen Augenblick länger aushalten zu können.
»Sprecht, Lord Duncan!«, forderte Maria Stuart ihn auf.
»Es handelt sich um meine Cousine Anna, die Heim und Eltern verloren hat und unser Gast ist. Erlaubt, dass ich sie Euch vorstelle?«
Anna wagte es, leicht die Lider zu heben, und sah, wie die Königin mit einer Handbewegung sie aufforderte, sich zu erheben. Sie trat einen Schritt auf Maria zu und beugte ihr Haupt. »Majestät sind zu gütig«, murmelte sie die Worte, die Duncan ihr eingebläut hatte.
»Ihr sprecht um eine Stellung Eurer Verwandten am Hof vor?«, brachte Maria die Sache auf den Punkt. »Sie scheint mir nicht mehr allzu jung zu sein und von einem ansprechenden Äußeren. Sprecht, Lady Anna, wie alt seid Ihr, und warum seid Ihr nicht verheiratet?«
Anna schluckte und ihre Stimme zitterte, als sie antwortete: »Ich bin achtundzwanzig und bisher hat kein Mann mein Leben gekreuzt, den ich zum Mann wollte.«
Eine von Marias Damen kicherte, auch um Marias Mundwinkel zuckte ein Lächeln. »Ihr sprecht sehr offen, Lady Anna, aber ich glaube, in Eurem Alter sollte man nicht mehr allzu wählerisch sein, was einen Ehemann betrifft. Eure Eltern scheinen Euch sehr frei erzogen zu haben, dass Ihr meint, Euch einen Mann wählen zu können.«
Anna hatte bereits den Mund für eine entsprechende Entgegnung geöffnet, als sich Duncans Finger durch ihr Mieder schmerzhaft in die Rippen bohrte.
»Meine Cousine stammt aus Irland, Majestät«, sagte Duncan schnell. »Sie wuchs mit anderen Sitten und Ansichten als unsereins auf.«
»Irland! Dann seid Ihr auch katholisch?«, richtete Maria das Wort an Anna.
»Äh ... ja ... natürlich ...«, beeilte sich Anna zu sagen. Sie konnte nur hoffen, dass Maria keine weiteren Fragen zu ihrer Religion stellen würde. Nicht nur, dass Anna als Engländerin der anglikanischen Kirche angehörte, sie hatte seit mehreren Jahren keinen Gottesdienst mehr besucht, und ihre Bibelkenntnisse waren mehr als mangelhaft.
Zum Glück schien es Maria Stuart dabei zu belassen, denn sie wandte sich wieder an Duncan und sagte: »Ihr könnt Eure Cousine in meiner Obhut lassen, ich bin sicher, Lady Argyll wird eine Aufgabe für sie finden.« Maria schnalzte mit den Fingern, und eine ältliche, streng blickende Frau trat hervor. Aber erst, als Maria zu Duncan sagte: »Ich danke Euch für Euren Besuch, Mylord«, und ihre Haltung ausdrückte, dass sie das Gespräch für beendet hielt, wurde es Anna bewusst, dass sie von Duncan getrennt werden sollte.
Lady Argyll nahm sie bei der Hand, und während Duncan sich rückwärts verbeugend zu der Tür ging, durch die sie das Zimmer betreten hatten, führte die Frau Anna zu einer anderen.
»Duncan!«, rief Anna. Er sah kurz auf, und sie las in seinem Blick die Aufforderung, das Beste aus der Situation zu machen, aber auch Sorge, ob sie ihrer Aufgabe gerecht werden konnte. Dann schloss sich die Tür hinter Anna, und sie folgte der Gräfin in ein anderes Stockwerk.
Die nächsten Tage forderten von Anna ihr ganzes schauspielerisches Talent. Man hatte sie in ein Zimmer gebracht, das sie mit drei Mädchen – alle drei junge Adlige vom Land – teilte. Sehr zu Annas Freude gab es einen kleinen Alkoven, in dem sich die Mädchen wuschen, und es wurde täglich frisches Wasser gebracht.
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