Die Treue Des Highlanders
Beine.
»Ich muss mir ein wenig die Beine vertreten«, murmelte Duncan, ohne sie anzuschauen.
»Du kannst mich hier doch nicht allein lassen!«
Duncan deutete auf Neville, der frisches Holz auf die Feuerstelle legte. »Ich sagte bereits, dass die Wölfe das Feuer meiden werden, außerdem ist Neville ein hervorragender Schütze. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Lege dich wieder hin und versuche zu schlafen, morgen liegt wieder ein anstrengender Ritt vor uns.«
Ohne Anna weiter zu beachten, verschwand Duncan im Dunkeln zwischen den Bäumen. Er musste einige Zeit allein sein, denn die dauernde Nähe von Anna beunruhigte ihn in einer Art und Weise, die er bisher nie in Gegenwart einer Frau gespürt hatte.
Anna legte sich die Decke wieder um die Schultern und starrte ins Feuer. In der Ferne heulte erneut ein Wolf, und Anna zuckte zusammen. Obwohl Neville seinen Dolch griffbereit neben sich legte, beschlich sie ein Gefühl von Verlassenheit. Sie war sicher, keinen Augenblick zu schlafen, solange Duncan nicht wieder zurückgekehrt war. Schlussendlich siegte die Müdigkeit, und Anna fiel in einen tiefen Schlaf. Duncan, der im Wald gewartet hatte, bis sie eingeschlafen war, kehrte zurück und übernahm den ersten Teil der Wache. Während Neville binnen weniger Augenblicke laut und vernehmlich schnarchte, betrachtete Duncan die schlafende Anna nachdenklich. Er hatte einiges in ihrer Zeit gesehen und erlebt, was gar nicht so schlecht gewesen war, aber immer öfters erzählte Anna von Dingen, die Duncan nicht verstand, zum Beispiel die Ausrottung der Wölfe. Gut, sie waren nicht die angenehmsten Zeitgenossen, und Duncan sah ein Rudel am liebsten auch nur aus der Ferne, aber die Vorstellung, eines Tages keinen Wolf mehr im schottischen Hochland anzutreffen, bedrückte ihn. Er hatte nur wenige Tage in der Zukunft verbracht, aber das, was er gesehen und erlebt hatte, war nicht unbedingt angenehm gewesen. Er hatte keine Ahnung, wie die zweimalige Zeitreise vonstatten gegangen war, und konnte es nur dem Fluch von Iain Craig Fraoch zuschreiben, dass er einen Blick in die Zukunft hatte erhaschen können. Aus Zufall – oder war es Schicksal? – war Anna mit ihm zurückgereist, und wenn Duncan auch zuerst darüber wenig erfreut gewesen war, schien es ihm jetzt wie ein Fingerzeig Gottes. Der Kelte war zwar ein Heide gewesen, aber durch seine Magie war es offenbar möglich geworden, Schottland vor dem Untergang zu bewahren. Duncan widerstand der Versuchung, Anna eine Haarsträhne, die ihr über die geschlossenen Augen gefallen war, fort zu streichen. Das Schicksal hatte sie zusammengeschweißt, und Anna wäre ohne ihn in diesem Jahrhundert verloren. Tief im Inneren seines Herzens meldete sich eine Stimme, die sagte, dass auch er ohne Anna verloren war.
»So ein Blödsinn«, brummte Duncan und warf heftiger als nötig ein Holzscheit in die Flammen.
Er
brauchte Anna nicht. Im Gegenteil, bisher war sie nur eine Belastung gewesen, weil er ständig aufpassen musste, dass sie sich nicht durch unbedachte Äußerungen verriet. Gut, bei der leidigen Sache mit Alice Skelton war sie ganz hilfreich gewesen, das bedeutete aber nicht, dass er ihr mehr als Dankbarkeit schuldig war. Sie hatten ein gemeinsames Ziel, und wenn dieses erreicht war, würde er darüber nachdenken, was mit Anna geschehen sollte. Duncan ärgerte sich, dass er hoffte, dieser Moment möge in ferner Zukunft liegen.
Für Anna waren die letzten Tage wie ein einziges großes Abenteuer. Obwohl sie sich an die mangelhaften hygienischen Umstände nie gewöhnen würde, erkannte sie, dass das sechzehnte Jahrhundert durchaus Vorteile hatte. Es gab keine Umweltverschmutzung, und die Luft war rein und klar. Die kleine Reisegruppe trabte auf Feld- und Waldwegen ohne Angst vor Autos, Lastwagen oder Bussen geruhsam dahin, und jeden Abend gab es ein frisch gefangenes Kaninchen oder einen prächtigen Fisch zum Essen. Keine Konservierungs-, Farb- oder sonstigen Zusatzstoffen, Anna mochte das natürliche und gesunde Fleisch. Außer von Neville wurden sie von zwei Reitknechten begleitet, die jeweils ein Packpferd mit den notwendigsten Dingen bei sich führten und bis an die Zähne bewaffnet waren.
»Ich hoffe nicht, Wegelagerern zu begegnen«, hatte Duncan gesagt, der selbst ein Breitschwert an der Hüfte und drei scharfe Messer am Gürtel trug.
Unwillkürlich dachte Anna bei dem Wort Wegelagerer an Robin Hood, wobei sie aber bezweifelte, dass die tatsächlichen Räuber in dieser Zeit so
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