Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
noch jung genug, um etwas Vernünftiges anzufangen, wenn du damit keinen Erfolg hast«, meinte er.
Das erwies sich als unnötig. Bevor er und Mutter fünf Jahre später bei einem Flugzeugabsturz umkamen, hatten sie erlebt, dass die neue Ölgesellschaft alle Konkurrenzprodukte vom Markt fegte und jeder, der von Anfang an mit dabei war, dadurch einen nach menschlichem Ermessen gesicherten Posten auf Lebenszeit hatte.
Einen solchen hatte auch mein Freund Walter Lucknor.
Zuerst wollte man ihn gar nicht einstellen. Er verstand wenig vom Anbau, noch weniger vom Geschäft, und verfügte auch nicht über die für Laboratoriumsarbeit nötige Ausbildung. Über Triffids jedoch wusste er eine Menge. Da hatte er einen sechsten Sinn und richtige Inspirationen.
Was Jahre später, in jenem fatalen Mai, mit Walter passierte, kann ich nur vermuten. Es ist eine traurige Tatsache, dass er nicht davongekommen ist. Dabei hätte er noch so viel bewirken können. Niemand verstand so viel von den Triffids wie Walter. Oder sollte ich sagen, dass er intuitiv mit ihnen kommunizierte?
Ich weiß noch, wie er mich ein, zwei Jahre nach unserer Anstellung, das erste Mal verblüffte.
Wir hatten Feierabend gemacht und betrachteten mit dem Gefühl der Befriedigung drei neue Felder mit fast ausgereiften Triffids. Sie waren damals noch nicht, wie später, einfach von einem Zaun eingeschlossen, sondern in Reihen aufgestellt, zumindest waren es die Stahlpflöcke, an die man sie gekettet hatte, denn den Pflanzen selbst fehlte jeder Ordnungssinn. Nach unserer Rechnung konnte etwa in einem Monat mit der Ölgewinnung begonnen werden. Es war ein ruhiger Abend, nichts störte die Stille als hie und da das Trommeln der Triffids. Walter beobachtete sie mit schief gehaltenem Kopf.
»Sie sind gesprächig heute Abend«, bemerkte er.
»Vielleicht liegt es am Wetter«, vermutete ich, »an der Trockenheit.«
Er lächelte.
»Bist du gesprächiger, wenn es trocken ist?«
»Wieso sollte ich …?« Verwirrt brach ich ab. »Ja, glaubst du denn, dass sie wirklich reden?«
»Warum nicht?«
»Unsinn. Sprechende Pflanzen!«
»Kein größerer Unsinn als gehende.«
Ich starrte auf die Triffids und dann auf ihn.
»Ich kann mir nicht vorstellen …«, begann ich zweifelnd.
»Versuche es doch und beobachte sie – und sage mir, zu welchen Schlussfolgerungen du kommst«, schlug er vor.
Es war eigentlich seltsam, dass ich bei all meiner Beschäftigung mit den Triffids nie an diese Möglichkeit gedacht hatte. Sobald ich aber darauf aufmerksam gemacht worden war, ging sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Tauschten diese trommelnden Pflanzen wirklich geheime Signale aus?
Bisher hatte ich geglaubt, mit Triffids ziemlich vertraut zu sein, aber mit Walter verglichen war ich ahnungslos. Wenn er in der richtigen Stimmung war, konnte er stundenlang über die Triffids reden und dabei wilde Theorien entwickeln.
Das Interesse der Öffentlichkeit war inzwischen abgeflaut. Für die Firma allerdings blieben sie interessant. Sie waren, ihrer Ansicht nach, ein Segen für alle Welt und insbesondere für das Unternehmen. Walter teilte keine dieser Ansichten. Und manchmal begannen sich, wenn ich ihm zuhörte, auch bei mir unbestimmte Befürchtungen zu regen.
Er hatte die Überzeugung gewonnen, dass sie miteinander »sprachen«. »Und das heißt«, folgerte er, »dass irgendwo Intelligenz da sein muss. Nicht in einem Gehirn lokalisiert, denn sie haben nichts, das einem Gehirn ähnelt. Aber es kann ja etwas anderes die Funktion des Gehirns ausüben. Und eine Art Intelligenz ist sicher vorhanden. Ist dir nicht aufgefallen, dass sie immer auf die ungeschützten Stellen zielen? Fast immer ist es der Kopf, hie und da sind es die Hände. Und noch etwas: Beachte einmal in der Unfallstatistik, wie häufig die Augen getroffen wurden und Blindheit die Folge war. Das ist bemerkenswert und bezeichnend.«
»Bezeichnend wofür?«, fragte ich.
»Dafür, dass sie wissen, wie man einen Menschen am sichersten erledigt – anders ausgedrückt, sie wissen, was sie tun. Angenommen, es handelt sich wirklich um intelligente Wesen; unsere einzige Überlegenheit ihnen gegenüber wäre unser Sehvermögen. Wir können sehen, sie nicht. Nimm uns dieses Sehvermögen, und die Überlegenheit ist fort. Schlimmer: Wir sind dann die Unterlegenen, denn sie können ohne Sehvermögen auskommen, wir nicht.«
»Aber selbst wenn das so wäre, können sie doch nichts tun. Sie können keine Werkzeuge handhaben. Sie haben nur
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