Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
eine geringe Muskelkraft in dieser Giftgeißel«, entgegnete ich.
»Richtig, aber was nützt uns unsere ganze Geschicklichkeit, wenn wir nicht sehen können, was wir tun? Und sie brauchen gar keine Werkzeuge – im Gegensatz zu uns. Sie holen sich ihre Nahrung direkt aus der Erde oder von den Insekten. Sie haben die ganze Plackerei nicht nötig – den Acker zu bestellen, die Ernte zu verteilen und die Nahrung auch noch zu kochen. Wenn man mich fragte, wer mehr Chancen hat, am Leben zu bleiben, eine Triffid oder ein Blinder, so fiele mir die Antwort nicht schwer.«
»Du setzt gleichwertige Intelligenz voraus«, sagte ich.
»Keineswegs. Das ist gar nicht nötig. Sie haben wahrscheinlich eine ganz andere Art von Intelligenz als wir, und sei es nur, weil sie so viel anspruchsloser sind. Denk bloß an die komplexen Arbeitsgänge, die nötig sind, damit wir das Öl der Triffids für uns nutzen können. Und dann kehr die Sache einmal um. Was muss die Triffid tun? Sie braucht uns nur zu stechen und einige Tage abzuwarten; dann kann sie uns verdauen. Der einfache, natürliche Lauf der Dinge.«
So konnte er stundenlang reden; zuletzt brachte er es so weit, dass ich jeden Maßstab verlor und die Triffids mir wie Rivalen und Konkurrenten erschienen. Was sie für Walter, wie er eingestand, auch wirklich waren. Er hatte daran gedacht, über genau diesen Aspekt ein Buch zu schreiben, sobald er genug Material gesammelt hätte.
»Du hattest …?«, fragte ich. »Was hindert dich denn daran?«
»Das hier.« Er wies auf die Farm. »Da geht’s um finanzielle Interessen. Beunruhigende Überlegungen zu den Triffids würden die Gewinnchancen mindern. Und wir haben die Triffids ja unter Kontrolle, es wäre eine rein akademische Diskussion, die kaum die Mühe lohnte.«
»Ich weiß nie, wie ernst du etwas meinst und wie weit deine Fantasie sich von den Fakten entfernt. Glaubst du denn, dass die Dinger eine Gefahr darstellen?«, fragte ich ihn.
Er tat ein paar Züge aus seiner Pfeife, bevor er antwortete.
»Ganz sicher bin ich mir nicht. Aber sie können eine Gefahr werden. Davon bin ich überzeugt. Es ließe sich leichter darauf antworten, wenn man wüsste, was es mit ihrem Trommeln auf sich hat. Sie trommeln und klappern, und niemand achtet darauf. Irgendwie macht es mich unruhig. Es hat etwas zu bedeuten. Fragt sich nur, was.«
Walter sprach sonst kaum über dieses Thema, und auch ich vermied es, mit anderen davon zu reden; Spekulationen solcher Art wären höchst skeptisch aufgenommen worden, und wir wären bei der Firma als Fantasten in Verruf gekommen.
Nachher arbeiteten wir etwa noch ein Jahr zusammen. Dann mussten im Ausland neue Anbaumethoden studiert werden, und ich war viel auf Reisen. Er ließ sich in die Forschungsabteilung versetzen, wo er Untersuchungen im Auftrage der Firma mit solchen auf eigene Faust verbinden konnte. Von Zeit zu Zeit besuchte ich ihn auf einen Sprung. Er experimentierte beständig mit seinen Triffids herum, ohne die erhoffte letzte Klarheit zu erreichen. Doch gelang es ihm, zumindest zu seiner eigenen Zufriedenheit, das Vorhandensein einer gut entwickelten Intelligenz zu beweisen; auch ich hatte den Eindruck, dass es sich um mehr als bloßen Instinkt handelte. Das Trommeln hielt er nach wie vor für ein Verständigungsmittel. Ein Ergebnis, das veröffentlicht wurde, war der Nachweis, dass nach Entfernung der trommelnden Stiele eine Triffid allmählich einging. Eine andere Feststellung war, dass Triffidsamen zu fünfundneunzig Prozent unfruchtbar waren.
»Was ein wahrer Segen ist«, bemerkte er, »sonst gäbe es nur noch Triffids auf diesem Planeten.«
Auch dem musste ich zustimmen. Reife Triffids waren etwas Sehenswertes. Prall angeschwollen, glänzte knapp unterhalb des Kelches der dunkelgrüne Fruchtknollen, um die Hälfte größer als ein großer Apfel. Er barst mit einem zwanzig Meter weit hörbaren Knall. Die weißen Samenschwaden wölkten wie Dampf in die Luft und wurden von der schwächsten Brise verweht. Ein Triffidfeld konnte Ende August den Eindruck erwecken, als wäre ein leichtes Bombardement im Gange.
Walter wies auch nach, dass die Qualität der Extrakte sich verbesserte, wenn die Pflanzen ihre Stacheln behielten. Sie blieben daher auf den Feldern der Firma unbeschnitten, und wir mussten bei unserer Arbeit Schutzkleidung tragen.
Als ich den Unfall erlitt, der mich ins Krankenhaus brachte, war ich mit Walter zusammen. Wir untersuchten an einigen Exemplaren auffällige
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