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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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Kieswegen durchzogen. Es sah freundlich aus unter den Bäumen mit dem frischen Grün, und ich steuerte eine der Bänke an.
    Kein anderer Besucher störte meine Abgeschiedenheit, nur gelegentlich schlurfte draußen am Eingangstor jemand vorbei. Ich warf den wenigen Spatzen, den ersten Vögeln, die ich an diesem Tag erblickte, einige Krumen zu und fühlte mich angesichts ihrer kecken Sorglosigkeit gleich viel besser.
    Nach beendeter Mahlzeit zündete ich mir eine Zigarette an. Als ich so dasaß und rauchte und dabei überlegte, wohin ich gehen und was ich unternehmen solle, erklang in der Stille Klavierspiel. Es kam aus einem der Wohnhäuser um den Park. Und auf einmal begann eine Mädchenstimme zu singen. Es war ein Gedicht von Lord Byron:
    So werden wir nicht mehr schweifen Wenn das Herz auch noch verliebt ist Und der Mond noch immer lacht.
    Denn das Schwert verschleißt seine Scheide. Und die Seele verschleißt die Brust. Und das Herz muss ruhn, um zu atmen, Und die Liebe rasten von Lust.
    Ist die Nacht auch gemacht für die Liebe Und der Tag folgt zu schnell der Nacht, So werden wir doch nicht mehr schweifen, Wenn der Mond vom Himmel lacht.
    Ich horchte und blickte auf. Der Gesang verstummte. Das Klavierspiel brach ab. Und dann wurde ein Schluchzen hörbar: leise, hilflos und hoffnungslos, herzzerreißend. Wer da schluchzte, ob die Sängerin oder eine andere ihre zerbrochenen Hoffnungen beweinte, weiß ich nicht. Aber ich konnte es nicht länger ertragen. Still ging ich zurück zur Straße, und eine Weile sah ich alles wie durch einen Flor.
    Sogar Hyde Park Corner lag beinahe verlassen da. Auf der Fahrbahn standen ein paar herrenlose Autos und Lastwagen. Offenbar waren nur vereinzelte Fahrzeuge in voller Bewegung außer Kontrolle geraten. Ein Bus war quer über einen Weg in den Green Park hineingefahren und dort stehengeblieben; ein Pferd, das sich losgerissen und die Deichsel noch mit sich geschleppt hatte, lag neben dem Kriegerdenkmal, an dem es sich den Schädel aufgeschlagen hatte. Die einzigen Lebewesen, die ich zu sehen bekam, waren wenige Männer und noch weniger Frauen, die sorgsam ihren Weg suchten, mit Händen und Füßen tastend, wo es Geländer gab, mit schützend vorgestreckten Armen umherirrend, wenn es fehlte. Und ganz unerwartet erblickte ich auch eine oder zwei Katzen, die offensichtlich sehen konnten und der Situation mit der ihnen eigenen Selbstbeherrschung begegneten. Sie hatten wenig Glück bei ihren Beutezügen in dieser unheimlichen Stille – es gab nur wenige Spatzen, und die Tauben waren alle verschwunden.
    Ich wandte mich, noch immer vom alten Zentrum magnetisch angezogen, Piccadilly Circus zu. Plötzlich hörte ich ein neues Geräusch – ein gleichmäßiges Klopfen, das näher kam. Ich sah die Park Lane entlang und entdeckte die Quelle. Ein auffällig ordentlich angezogener Mann näherte sich mir und schlug dabei ständig mit einem weißen Stock gegen die Wand neben sich. Sobald er meine Schritte hörte, blieb er stehen und lauschte.
    »Alles in Ordnung«, sagte ich. »Kommen Sie ruhig.«
    Ich war erleichtert, ihn zu sehen. Ein ganz normaler Blinder. Seine dunkle Brille beunruhigte mich viel weniger als die starren, leeren Augen der anderen.
    »Bleiben Sie stehen«, sagte er. »Ich bin heute schon mit weiß Gott wie vielen Dummköpfen zusammengeprallt. Was, zum Teufel, ist bloß los? Warum ist es so still? Ich weiß, dass es heller Tag ist, ich spüre das Sonnenlicht. Was ist passiert?«
    Ich erzählte ihm, was ich wusste.
    Er schwieg eine Weile, dann lachte er bitter auf.
    »Ein Gutes hat das immerhin. Nun brauchen sie all ihr verdammtes Mitleid für sich selbst.«
    Bei diesen Worten reckte er sich leicht herausfordernd.
    »Danke. Viel Glück«, sagte er dann und wandte sich nach Westen, mit einem betonten Ausdruck von Unabhängigkeit.
    Hinter mir erstarb das Geräusch seines energisch klopfenden Stockes bald, als ich mich Piccadilly näherte.
    Es waren nun mehr Leute zu sehen, und ich ging an Gruppen stillstehender Fahrzeuge vorbei, mitten auf der Straße, wo ich die Entgegenkommenden weniger störte; denn die blieben, sobald sie nahende Schritte hörten, stehen, auf einen Zusammenstoß gefasst. Solche Zusammenstöße fanden auf der Straße immer wieder statt, aber einen fand ich besonders bezeichnend. Die Kontrahenten hatten sich an einer Ladenfront entlanggetastet, bis sie zusammenprallten: ein junger Mann in einem gut geschnittenen Anzug, zu dem er eine Krawatte trug, die er

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