Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
Vom Netzwerk:
– tauchten in Indochina auf, was den Schluss zulässt, dass man sie bei uns weiterhin nicht zur Kenntnis nahm. Denn Indochina gehörte »zum mysteriösen Osten«, zu jenen Regionen der Welt, über die man im nachrichtenarmen Sommerloch immer mal wieder die merkwürdigsten und unwahrscheinlichsten Geschichten in der Zeitung lesen konnte, zwecks Auflagensteigerung. Jedenfalls kann das indonesische Exemplar kein besonderes Aufsehen erregt haben. Innerhalb weniger Wochen folgten Meldungen über wandernde Pflanzen aus Sumatra, Borneo, Belgisch-Kongo, Kolumbien, Brasilien und anderen äquatornahen Ländern.
    Diesmal tat auch die Presse mit. Doch ihre Berichte waren mit ironischer Distanz abgefasst. Kein Leser konnte dabei auf den Gedanken verfallen, diese sensationelle Pflanze in irgendeine Verbindung zu bringen mit dem unbeachteten, schlichten Gewächs neben unserem Komposthaufen. Erst an den Bildern erkannten wir, dass es, von der Größe abgesehen, die gleiche Pflanze war.
    Viel brachten auch die Wochenschauen nicht. Möglicherweise hatten die Kameraleute von ihren weiten Reisen tatsächlich einige interessante Aufnahmen mitgebracht. Doch unter den Cuttern herrschte die Überzeugung, dass jedes Nachrichtenthema, das länger als wenige Sekunden lief – mit Ausnahme von Boxkämpfen –, das Publikum unweigerlich langweilen würde. So kam es, dass das Erste, was ich von einer sowohl für mich wie für viele andere entscheidenden und schicksalbestimmenden Entwicklung zu sehen bekam, nur ein sekundenschnell vorüberhuschendes Szenenbild war.
    »Und nun sehen Sie, was unser Kameramann in Ecuador entdeckt hat. Wanderndes Gemüse! So was haben Sie bisher nur auf dem Heimweg von einer Party gesehen, aber im sonnigen Ecuador können Sie es jederzeit bestaunen – ganz ohne nachfolgenden Kater! Monsterpflanzen auf der Wanderung! Vielleicht sollten wir unsere Kartoffeln so züchten, dass sie direkt in den Kochtopf marschieren. Wäre das nicht was?«
    Solange die Szene lief, starrte ich wie gebannt auf die Leinwand. Da war ja unser geheimnisvolles Kompostgewächs. Allerdings zwei Meter hoch, wenn nicht höher. Keine Frage, es war unsere Pflanze – und sie konnte »gehen«!
    Der Strunk, den ich nun zum ersten Mal sah, war mit zottigen Wurzelhaaren bewachsen. Man hätte ihn beinahe kugelförmig nennen können, wären nicht an der Unterseite drei kurze Stumpen hervorgewachsen. Durch sie wurde der Hauptkörper etwa dreißig Zentimeter hoch über den Boden gehoben.
    Beim »Gehen« bewegte sich die Pflanze wie ein Mensch auf Krücken. Die zwei Vorderstumpen glitten vorwärts, und dann ruckte der Hinterfuß nach, fast bis zur gleichen Linie, das ganze Gewächs kippte dabei nahezu um, dann rutschten die Vorderstumpen aufs Neue vorwärts. Bei jedem »Schritt« schwankte der lange Stengel heftig vor und zurück. Es wurde einem beinahe schwindlig vom Zuschauen. Die Art der Fortbewegung sah zugleich eifrig und plump aus – sie erinnerte an junge Elefanten beim Spielen. Man hatte das Gefühl, dass die Pflanze alle ihre Blätter verlieren oder sogar ihren Strunk brechen müsste, wenn sie auf diese Weise weiter vorwärtstaumelte. Doch so unbeholfen es auch aussah, die Geschwindigkeit entsprach ungefähr der eines Fußgängers.
    Das war alles, was ich in der Wochenschau zu sehen bekam. Es war nicht viel, genügte aber, um meinen jugendlichen Forscherdrang anzustacheln. Wenn das Gewächs in Ecuador so etwas leisten konnte, musste das Exemplar in unserem Garten doch auch dazu imstande sein? Zugegebenermaßen war unsere ein ganzes Stück kleiner, aber sie sah genauso aus …
    Ich war keine zehn Minuten daheim, da war ich schon dabei, rund um unsere Triffid den Boden zu lockern, um sie zum »Gehen« zu ermuntern.
    Leider hatte diese selbstständig schreitende Pflanze eine fatale Eigenheit, die den Filmleuten entweder unbekannt geblieben war oder die sie aus irgendeinem Grund verschwiegen. Es erfolgte auch keine Warnung. Ich hatte mich eben gebückt, um die Erde zu lockern, ohne die Pflanze zu beschädigen, als ich plötzlich, ich wusste nicht woher, einen furchtbaren Schlag erhielt, der mich bewusstlos zu Boden warf …
    Als ich aus meiner Ohnmacht erwachte, lag ich im Bett; Vater, Mutter und der Arzt umstanden mich mit sorgenschweren Mienen. Mein Kopf fühlte sich an wie geborsten, der ganze Körper schmerzte und, wie ich später entdeckte, war eine Gesichtshälfte mit einer wulstigen roten Strieme geziert. Alles Fragen nach der Ursache meiner

Weitere Kostenlose Bücher