Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
Ohnmacht im Garten führte zu keinem Ergebnis; ich hatte keine Ahnung, woher der Schlag gekommen war. Und es verging noch einige Zeit, ehe ich erfuhr, dass ich einer der Ersten in England war, die den Stich einer Triffid überlebt hatten. Natürlich nicht einer ausgereiften Triffid. Mein Vater entdeckte noch vor meiner völligen Genesung den Unheilstifter, und als ich wieder in den Garten durfte, war das Strafgericht schon vollzogen und die Triffid ins Feuer geworfen worden.
Nun, da die wandernden Pflanzen zu den erwiesenen Tatsachen gehörten, sorgte die Presse für die gebührende Propaganda. Ein Name musste gefunden werden. Schon schwelgten die Botaniker wie immer in Küchenlatein und Griechisch, um aus ambulans und pseudopodia eine neue, mehrsilbige Verbindung zu kreieren. Aber Öffentlichkeit und Presse verlangten nach einem Namen, der leicht über die Lippen ging und kurz genug war für Schlagzeilen aller Art. Als Vorschläge tauchten in den Zeitungen damals auf:
TrichotsTrinits TricupsTripedals TrigenatesTripeds TrigonsTriquets TridlogsTripods TridentatesTrippets
sowie weitere seltsame Wortverbindungen, von denen manche noch nicht einmal mit »tri« begannen – obwohl beinahe alle sich auf die bewegliche, dreigabelige Wurzel der Pflanze bezogen.
Es wurde debattiert, in der Öffentlichkeit, in Privatzirkeln und am Stammtisch, begeisterte Anhänger verfochten die eine oder andere Wortschöpfung mit wissenschaftlichen, ethymologischen und anderen Argumenten. Doch allmählich zeichnete sich ein Name als Sieger in diesem philologischen Wettstreit ab. Die erste Fassung war noch verbesserungsbedürftig, das lange erste »i« verschwand bald im Sprachgebrauch, der Deutlichkeit halber fügte man dann ein zweites »f« hinzu. Und so war der Name geboren.
In irgendeiner Redaktion als geläufiges Schlagwort für eine Kuriosität entstanden, sollte er eines Tages etwas ganz anderes werden, das Losungswort für eine Katastrophe, für Schmerz, Angst und Unheil: TRIFFID . Die erste Welle des öffentlichen Interesses verebbte ziemlich bald. Zugegeben: Die Triffids waren etwas unheimlich. Weil sie neu waren. Andere Neuheiten hatten ähnlich gewirkt: Kängurus, Rieseneidechsen, schwarze Schwäne. Und wenn man es recht überlegte: Waren denn Triffids so viel merkwürdiger als Schlammaale, Straußenvögel, Kaulquappen und viele Hundert anderer Lebewesen? Die Fledermaus war ein Säugetier, das fliegen konnte. Hier hatte man eine Pflanze, die gehen konnte; warum denn nicht?
Freilich, nicht alles ließ sich so leicht abtun. Ihre Herkunft blieb unbekannt. Die Russen, die darüber hätten Auskunft geben können, hüllten sich in das gewohnte Schweigen. Umberto wurde, auch von denen, die ihn kannten, noch nicht mit den Triffids in Verbindung gebracht. Ihr plötzliches Auftauchen und, mehr noch, ihre weltweite Verbreitung erregten Staunen. Denn sie reiften zwar in den Tropen schneller, fanden sich aber in den verschiedensten Entwicklungsstadien in allen Regionen der Erde, die Polarkreise und die Wüsten ausgenommen.
Überrascht und leicht angeekelt stellte man fest, dass die Pflanze ein Fleischfresser war; die Fliegen nämlich und die anderen Insekten, die in den Kelch gerieten, wurden von der klebrigen Masse darin wirklich aufgelöst und verdaut. Zwar wusste man auch in unseren gemäßigten Klimazonen, dass es fleischfressende Pflanzen gab, doch waren wir nicht darauf vorbereitet, sie hier außerhalb spezieller Treibhäuser anzutreffen, und geneigt, sie gewissermaßen als leicht unanständig, zumindest als anstößig zu betrachten. Wahrhaft erschreckend aber war die Entdeckung, dass der Kolben auf der Spitze des Stengels ein Giftstachel war, der drei Meter weit ausschwingen und eine tödliche Ladung Gift verspritzen konnte, wenn er auf bloße, ungeschützte Haut traf.
Diese Entdeckung löste ein Massaker unter den Triffids aus, bis jemand auf den Einfall kam, dass die Entfernung des Stachels genügte, um die Pflanze unschädlich zu machen. Danach flaute die Ausrottungswut ab; die Zahl der Pflanzen allerdings hatte merklich abgenommen. Kurz darauf wurde es Mode, die eine oder andere beschnittene Triffid als Gartenpflanze zu halten. Der Giftstachel brauchte zwei Jahre, um nachzuwachsen, also sicherte einen der jährlich wiederholte Schnitt vor jeder Gefahr, und die harmlos gewordenen Gewächse machten vor allem den Kindern großen Spaß.
In unseren Breiten, wo der Mensch fast die ganze Natur, außer seiner eigenen, gezähmt hat,
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