Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Sache hier mit Tim hinter dir hast, dann reite einfach mit Julia in den Sonnenuntergang davon und genieße den Rest deines Lebens. Du hast es dir verdient.«
»Ich will gar nicht einsteigen. Ich will nur verstehen …«
»Nein, Kumpel, das glaubst du nur. Ich sage dir, es ist besser, du weißt gar nicht, was wirklich los ist.« Pat stopfte sich ein paar Chips in den Mund und kaute. »Wenn du irgendwelche Anwerbesprüche hören willst, musst du dich jedenfalls an Ames wenden. Ich mache das nicht. Nächstes Thema.«
Ihn zu bedrängen würde nichts nutzen. Daniel holte das Foto wieder raus und reichte es Pat. »Das hat er mir gegeben. Er hat gesagt, du …«
»Ach, du heilige Scheiße.« Pat hörte auf zu kauen. »Was genau hat er denn gesagt?«
»Dass dieser Kerl gestern aus Montreal hergeflogen ist und dass sie ihn heute Nachmittag aus den Augen verloren haben. Und dass du mich über diesen Typ aufklären würdest.«
»Er heißt Lucien Drapeau. Ein übler Zeitgenosse.« Pat gab ihm das Foto zurück. »Höchstwahrscheinlich ist er hier, um deinen Onkel umzulegen.«
»Ein Killer?«
»Angeblich der beste der Welt. Es heißt, er sei ein absoluter Perfektionist. Er trifft immer. Im Laufe der Jahre sind wir uns ein paarmal über den Weg gelaufen, aber es ist nie zu einer Konfrontation gekommen.«
»Aber er spielt für die andere Mannschaft«, sagte Daniel, »den Rat für den Weltfrieden oder wie der heißt.«
Pat schüttelte den Kopf. »Lucien Drapeau spielt für gar keine Mannschaft. Es geht ihm nur ums Geld.« Er zeigte auf das Foto in Daniels Hand. »Das Gesicht musst du dir einprägen. In allen Einzelheiten …«
Daniel studierte das Gesicht. Sehr eng stehende Augen, eckiges Kinn, kleine Ohren und ein spitzer Schädel mit einem von hinten nach vorn verlaufenden Knochenkamm in der Mitte.
»Wie groß ist er?«
»Etwas größer als ich. Circa eins neunzig, würde ich sagen.«
Daniel sah sich wieder das Foto an. »Seltsam«, sagte er, »der Typ hat gar keine Augenbrauen.«
»Der hat gar keine Haare«, sagte Pat. »Am ganzen Körper keine. Er entfernt sie.«
»Ist das irgendwas Sexuelles?«
»Nein, er ist nur seinem Handwerk verpflichtet. Ohne Haare keine DNA-Spuren. Der Mann macht bei seiner Arbeit keine Kompromisse.« Pat legte die Chipstüte auf den Boden des Boxrings. »Also jetzt, wo Drapeau mit im Spiel ist, stehen die Chancen, dass Tim überlebt, nicht mehr nur schlecht, sondern total beschissen. Ich würde dir ja gern was anderes sagen, aber so sieht’s aus, altes Haus.«
78
Julia rief kurz nach zehn an. »Ich habe deine Nachrichten erhalten«, sagte sie. »Alle fünf. Entschuldige, es ist ein bisschen hektisch hier. Was ist los?«
»Komm, wir trinken was zusammen«, sagte Daniel.
Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Würde ich gern, ehrlich, aber nicht heute, Danny. Morgen ist ein wichtiger Tag.«
»Wir hatten in letzter Zeit jede Menge wichtige Tage.« Er konnte hören, wie sie lachte. Es war ein warmes Lachen. »Julia, ich weiß, wir haben momentan alle viel um die Ohren, und morgen wird’s noch stressiger. Ich will nur eine kurze Verschnaufpause, zwei Stunden, nur du und ich und eine Flasche Wein.«
Halt den Mund
, sagte er zu sich selbst. Es nutzte aber nichts. »Sieh es nicht als Date. Aber ich … ich brauche morgen einen klaren Kopf, um mich auf die Sicherheitsvorkehrungen konzentrieren zu können. Deshalb wollte ich mich vorher mit dir aussprechen.«
»Ach du meine Güte, ein Date wäre mir aber lieber gewesen«, sagte Julia mit einem Lächeln in der Stimme. »Okay, sag mir, wo du bist, und ich komme und trinke deinen Wein, während du dich aussprichst.«
»Sei bitte nachsichtig mit mir, ja? Meine letzte Verabredung mit einem Mädchen liegt schon eine Weile zurück.«
Als Daniel achtzehn war, hatte Pater Henri ihm einen Schlüssel gegeben, damit er den Trainingsraum abends selbst abschließen und morgens wieder aufmachen konnte. Und ab und zu war er spät nachts mit Julia hergekommen, um oben auf dem Dach zu sitzen und die Sterne zu betrachten.
Aber das ist vierzehn Jahre her. Vierzehn Jahre, Mann!
Und jetzt sollte sie all die Jahre, die seither vergangen waren, einfach vergessen. Er wollte ihr sagen, dass er diesmal nicht weglaufen würde, um Geistern und Träumen hinterherzujagen. Er wollte ihr sagen, dass er jetzt von ihr träumte.
Und er würde sie bitten, seinen Traum wahr werden zu lassen.
Nachdem sie zugesagt hatte, war er aufs Dach gestiegen, hatte zwei
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