Die Trinity-Anomalie (German Edition)
»Diese Leute hätten vielleicht gar nichts gegen Frieden in der Welt, aber nur zu ihren Bedingungen, unter ihrer Kontrolle. Für uns aber ist ein Leben in Knechtschaft, so friedlich es auch sein mag, keine akzeptable Zukunftsperspektive.«
»Knechtschaft? Jetzt hören Sie aber auf.«
»Natürlich sehen diese Leute das ganz anders. Sie bevorzugen Wörter wie ›Sicherheit‹ und ›Stabilität‹. Aber letztendlich geht es immer um Kontrolle. Der Rat hatte seine Anfänge – ebenso wie die Stiftung – im Mittelalter, beide damals aber unter anderen Namen. Der Rat begann einfach als ein Netz von Spionen – eine Organisation unabhängiger Spione, wenn Sie so wollen –, die inganz Europa und entlang der Handelsrouten in Asien Informationen sammelten und diese an Monarchen, Päpste und reiche Kaufmannsfamilien verkauften und so die Räder des Handels ölten. Aber im Laufe der Zeit weiteten sie ihr Tätigkeitsfeld über das reine Sammeln von Informationen hinaus aus. Sie wurden immer mächtiger und zu ihren eigenen besten Kunden.«
»Und wie ist die Stiftung entstanden?«, fragte Daniel.
»Wir waren anfangs Kunden des Spionagenetzes – eine mächtige Reederdynastie, die auf der ganzen Welt Handel trieb – und damals eine der mächtigsten Familien Frankreichs. Aber in dieser Familie gab es noch Verantwortungsbewusstsein –
noblesse oblige
–, und als die Erben merkten, wohin sich der Rat entwickelte, wie sich dort die Macht in immer weniger Händen konzentrierte, da gründeten sie die Fleur-de-Lis-Stiftung, um dem Rat Paroli zu bieten.«
»Und was in aller Welt hat das mit meinem Onkel zu tun?«
Carter Ames schüttelte den Kopf. »Was mit Ihrem Onkel gerade geschieht, so bedeutend es auch sein mag, ist nur eine weitere Front in einem Krieg, der schon seit Jahrhunderten wütet. Es hat immer schon Leute gegeben, die im Verborgenen kämpfen. Leute, die denken wie wir, und solche wie unsere Gegner. Ich versuche Ihnen nur begreiflich zu machen, dass die Welt, wie Sie sie kennen, nur das ist, was man Ihnen zu sehen gestattet. Der Rat und die Stiftung haben bei fast jedem bedeutenden Ereignis der Weltgeschichte mitgemischt. Bei der Ermordung von John F. Kennedy? Klar, aber auch bei seinem Aufstieg zum Präsidenten. Beim Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, um Hitler aufzuhalten? Ja, aber auch bei der Allianz zwischen Deutschland und Japan. Sogar beim Amerikanischen Bürgerkrieg. Die Geschichte, die Sie kennen, ist nur eine redigierte Fassung.«
»Okay, danke für den Whisky, Mr Ames«, sagte Daniel, »aber das hört sich für mich alles ziemlich verrückt an. Soll ich etwa glauben, dass diese beiden Organisationen, von denen kein Mensch jemals etwas gehört hat, den Lauf der Geschichte bestimmen?«
Carter Ames lächelte milde. »Ich habe auch nicht erwartet, dass Sie mir glauben. Noch nicht. Aber überlegen Sie mal: Wenn Sie getan hätten, weshalb der Vatikan Sie geschickt hat, hätte die Welt nie vom Trinity-Phänomen erfahren. Und wieder wäre der Welt ein Stück Wahrheit vorenthalten geblieben.«
Die Erkenntnis traf Daniel wie ein Schlag in die Magengrube. Wenn er nicht bermerkt hätte, dass die Niederschriften der Zungenreden, die Nick ihm gegeben hatte, gefälscht waren, hätte die Welt nie von den Prophezeiungen erfahren. Wie viele andere bedeutende Ereignisse, wie viele ungewöhnliche Phänomene waren vertuscht und vor der Öffentlichkeit verheimlicht worden? Ihm war, als hätte sich ihm soeben das Tor zu einer ganz neuen Welt geöffnet, aber nur einen Spalt breit, und was dahinter lag, ließ sich nur erahnen.
»Das reicht mir nicht«, sagte er. »Worum geht’s denn überhaupt? Wie sieht diese Wahrheit aus, die Sie aufdecken wollen?«
»Sie sind noch nicht so weit, Daniel«, sagte Carter Ames. »Doch wenn Sie irgendwann mal so weit sein sollten, dann werden Sie sich uns ganz sicher anschließen, aber so eine Entscheidung trifft man nicht leichtfertig. Die Arbeitszeiten sind brutal, aber die Bezahlung ist hervorragend und dazu gibt’s ein erstklassiges Spesenkonto. Die Aussichten, das Rentenalter zu erreichen, sind gering. Aber unmöglich ist es nicht. Und sollten Sie bei der Arbeit umkommen, so haben Sie wenigstens mitgeholfen, die Welt davor zu bewahren, wieder ins finsterste Mittelalter zurückzufallen.« Sein Gesicht verdüsterte sich. »Und deshalb mache auch ich mit. Ich wollte meiner Enkelin mit dem Bewusstsein in die Augen schauen können, mich mit aller
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