Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Ohr und hörte zu. Dann sagte er zu Daniel: »Keine Aktivitäten auf der Treppe. Muss jemand gewesen sein, der den Aufzugcode kennt. Wir werden auf dem Überwachungsvideo nachsehen.«
Daniel wusste bereits, was auf dem Video zu sehen sein würde. Aber was sollte er machen? Conrad hatte recht: Die Kirche hatte sich nur ihr Eigentum zurückgeholt. Nichts von dem, was gestohlen worden war, gehörte Daniel selbst. »Ich mache mir mehr Sorgen um die Sicherheit meines Onkels«, sagte er.
»Wir werden einen Mann zum Aufzug abkommandieren. Es wird kein Unbefugter mehr diese Etage betreten, das verspreche ich.«
»Alles klar.«
Chris legte seine Hand auf Daniels Vorderarm. »Versuchen Sie, ein bisschen zu schlafen, Mann. Ehrlich, Sie sehen erschöpft aus.«
Schlafen, keine schlechte Idee …
45
Tim Trinity lag im Bett, trank Bourbon und schaute sich auf CNN eine Sendung mit dem Titel
Wer ist Tim Trinity?
an. Er dachte bei sich:
Diese Soledad O’Brien ist eine heiße Schnalle. Du kannst mich jederzeit in die Zange nehmen, Baby …
Soledad O’Briens Berichterstattung war fair, vielleicht sogar zu fair. Andererseits, so nahm Trinity an, musste sie darauf achten, keine religiösen Gefühle zu verletzen, und Irrglaube lässt sich nun einmal schlecht nachweisen.
Deshalb war das Predigen auch der perfekte Schwindel. Wenn er neununddreißig Jahre zuvor gewusst hätte, dass es tatsächlich einen Gott gibt, hätte er natürlich eine andere Laufbahn eingeschlagen oder sich zumindest auf nicht religiöse Gaunereien spezialisiert. Und jetzt fragte er sich, ob Gott ihn irgendwann für seine früheren Sünden bestrafen würde.
Oder vielleicht ist ja das, was ich gerade durchmache, die Strafe Gottes …
Er wollte aber lieber nicht darüber nachdenken und wandte sich wieder dem Fernseher zu. Die O’Brien stand vor dem Charity Hospital, das abgesperrt war und seit Katrina nicht wieder geöffnet hatte. »Trinity ist nicht sein richtiger Name. Er wurde als Timothy Granger geboren, und zwar hier im Charity Hospital im Zentrum von New Orleans. Er kommt aus ärmlichen Verhältnissen. Seine Mutter Claire stammte von irischen Schuldknechten ab. Über die Herkunft seines Vaters, des Handelsvertreters Fred Granger, istnichts bekannt, und da der Hurrikan Katrina so viele öffentliche Aufzeichnungen zerstört hat, werden wohl einige Rätsel bleiben, was seine Familie angeht …«
An den Wänden des beengten Wohnzimmers hingen etwa ein Dutzend Familienfotos in billigen Plastikrahmen. Fotos von Leuten, denen der junge Tim Granger nie begegnet war, einige schon lange tot, aber alle hatten sie einen Ehrenplatz im Heim der Familie. Bilder von Großvater und Urgroßmutter väterlicherseits fehlten allerdings, und Tims Vater erklärte dies damit, dass sein alter Herr und dessen Mama keine Kameras gemocht und Fotos für Teufelszeug gehalten hatten.
Als Tim zehn Jahre alt war, kramte er in einem Schuhkarton voller Erinnerungsstücke im Schrank seines Vaters herum und fand das Foto. Es war keine Frage, wer ihn da anschaute. Sein Großvater sah seinem Vater sehr ähnlich, nur seine Lippen waren etwas voller, die Nase ein bisschen breiter und das Haar war, obwohl streng mit Pomade zurückgestrichen, stark gewellt. Der kleine Tim ging mit dem Foto zu seinem Vater, der gerade wieder einmal von einer erfolglosen Verkaufstour zurück war und sich auf dem Lehnsessel im Wohnzimmer langsam in den Schlaf trank.
Mit zitternden Händen hielt ihm Tim das Foto hin. »Das ist doch mein Großvater«, sagte er. Sein Vater stellte sachte die Sessellehne vor und nahm das Foto in die Hand.
»Du solltest nicht in meinen Sachen rumwühlen, Sohn.« Dann wies er auf einen Stuhl und stieß einen tiefen Seufzer aus, während der Junge sich setzte. »Aber du bist jetzt wohl alt genug, um es zu erfahren.« Er nippte an seinem Glas und stellte es auf den Beistelltisch. »Dein Granddaddy war ein Mulatte. Er kam zwar nach seinem Vater, einem Iren, aber man konnte es trotzdem sehen. Er heiratete eine Weiße und sie bekamen ein Kind, das zu einem Viertel schwarz war. Das bin ich. Aber ich hatte sehr helle Haut, deshalb mussten meine Eltern eine Entscheidung treffen.« Tims Dadsah aus, als würde er jeden Moment losheulen, aber nach einem Schluck von seinem Drink ging es ihm schon besser. »Mein Vater wurde auf meiner Geburtsurkunde nicht erwähnt. ›Vater unbekannt‹ haben sie eintragen lassen. Sie hielten es für besser, die Leute glauben zu lassen, dass ich von einem
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