Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Mandelaugen, hervorstehende Wangenknochen, volle Lippen, ein spitzes Kinn. Ihre Haut dunkel und sanft. Smaragdgrüne Augen. Ein schmaler Körper mit zarten Schultern. Brüste und Hüften sinnlich prall. Sie trug ein feuerrotes, leichtes Sommerkleid und um den Kopf ein Tuch der gleichen Farbe. Um den Hals ein großes Silberkruzifix und vielleicht hundert Perlenketten. An den Handgelenken sieben Armbänder, auf Lederbänder aufgereihte Kauris.
»Ich muss dir noch viel beibringen«, sagte sie, »aber dein Leben steht auf dem Spiel. Überlebe den morgigen Tag und komm zu mir.«
Ich weiß nicht, wo ich dich finde …
»Du wirst mich schon finden. Denk daran: Es gibt nur einen Gott. Alles andere ist nur eine Metapher.«
Aber du hast gesagt, jeder sei Gott …
»Beides stimmt.« Sie kniete sich neben ihn, nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn sanft auf die Lippen. »Viel Glück.«
Und dann war sie fort.
46
Julia hatte Herb versprochen, sie würde sich gut mit den anderen vertragen, und sich selbst versprach sie, ihre Zunge im Zaum zu halten. Aber es war ein langer Tag, und sie arbeitete schließlich
mit
und nicht
für
CNN. Es gab ein paar Punkte, die sie einfach ansprechen musste.
Das tat sie dann auch.
Und Kathryn Reynolds hörte zu. Sie war eine elegante, souveräne Schwarze Ende fünfzig und seit Langem ein bekanntes Gesicht der landesweiten Fernsehnachrichten. Sie hatte seit acht Uhr morgens gearbeitet, und mittlerweile war es fast dreiundzwanzig Uhr, aber sie sah so frisch aus wie am Morgen. Ihr Kostüm war knitterfrei, ihr Make-up makellos und der knallrote Lack auf ihren langen Nägeln kein bisschen abgeblättert. Bei ihrem letzten Gang zum WC hatte Julia einen gehörigen Schreck bekommen, als ihr eine aufgelöste, erschöpfte Frau aus dem Spiegel entgegenstarrte. Die Julia im Spiegel trug eine hoffnungslos zerknitterte Jacke, ihre Haare waren elektrisch aufgeladen und unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab.
Falls Kathryn Reynolds sich von Julias Schimpftiraden beleidigt fühlte, ließ sie sich nichts anmerken. Sie rückte einfach die Peabody Awards, die sie für herausragende Leistungen als Fernsehjournalistin erhalten hatte, vom Rand des Schreibtischs in die Mitte. Alle drei Awards. Gefolgt von ihrem Emmy. Dann lächelte sie, als wäre Julia ein zurückgebliebenes Kind.
»Zeitungen können es sich leisten, wählerisch zu sein.« Dann schüttelte sie ihren Kopf und goldene Kreolen pendelten an ihren Ohrläppchen hin und her. »Nein, nicht wahr, es sei denn, sie wollen sich weiterhin von den Bloggern die Butter vom Brot nehmen lassen.« Sie schob ihre Auszeichnungen wieder an den Rand des Schreibtischs. »Wir hier haben uns mit der Existenz des Internets abgefunden. Und mit Nachrichten rund um die Uhr.« Sie fuhr mit ihren roten Fingernägeln über die Glaswand, die ihr Büro von der Nachrichtenredaktion trennte … und vom Sprecherpult und den Greenscreens, Scheinwerfern, Kameras, Mikrofongalgen und Monitoren, die überall herumstanden. »Man muss die Bestie namens Publikum füttern. Mir wäre es anders auch lieber, aber …« Sie zuckte mit den Schultern.
»Das verstehe ich ja«, sagte Julia, »aber irgendwann verlagert sich der Schwerpunkt auf die Freakshows am Rand des Geschehens. Und alle sind ganz verrückt auf Freakshows, und wir fangen an, über Freakshows zu berichten, auch wenn gar keine richtige Story dahintersteckt.«
»Sie haben recht, der Welt wäre eher damit gedient, wenn wir uns aufs Wesentliche konzentrieren würden, aber die Welt, in der wir leben, hat sich verändert.« Die Nachrichtenproduzentin schloss die Jalousien an der Glaswand zur Redaktion, holte eine Flasche aus dem Büfett und kippte sich einen dreifachen Southern Comfort in ihren Kaffee. »An Tagen wie diesem tut es gut, den Kaffee ein bisschen aufzupeppen.«
Julia hielt ihr ihren Kaffeebecher hin. »Besten Dank.« Die Frauen lächelten sich an, aber diesmal ehrlich, und tranken ihren süßen, beschwipsten Kaffee.
»Wegen Frauen wie mir«, sagte Kathryn Reynolds, »sind Frauen wie Sie da, wo Sie jetzt sind. Sie haben sich ganz sicher auch mit genug Arschlöchern rumschlagen müssen, aber wenn Sie so viel Mist mitgemacht hätten wie ich, hätten Sie schon längst aufgegeben. Also halten Sie mal einen Moment die Klappe und hören Sie zu.«
Sie sagte das alles in freundlichem Ton und durchaus mit Respekt gegenüber Julia. Der war ihr Verhalten plötzlich schrecklichpeinlich, und als sie
Weitere Kostenlose Bücher