Die Trinity-Anomalie (German Edition)
anderen Mann stammte. Dass meine Mutter ein Flittchen wäre.
Sie nahmen in Kauf, dass mein Vater als gehörnter Ehemann galt. Damit wollten sie mir einen besseren Start ins Leben ermöglichen, verstehst du? Ein weißer Junge hatte viel mehr Möglichkeiten als ein schwarzer. Die Leute hielten meinen Vater für einen Heiligen, weil er bei der Weißen blieb, die ihn betrogen hatte, und ihren weißen Bastard wie sein eigen Fleisch und Blut aufzog. Als ich etwas älter war, erzählte er mir die Wahrheit, aber ich musste schwören, niemandem etwas davon zu sagen.« Er räusperte sich. »Und als ich erwachsen war, bin ich zum anderen Ende der Stadt gezogen, wo niemand meine Familie kannte, denn dass man ein Bastard ist, steht einem nicht ins Gesicht geschrieben. Man kann seine persönliche Geschichte immer hinter sich lassen. Aber wenn man einmal als Mischling eingestuft wurde, hängt einem das ein Leben lang nach.«
Der junge Tim Granger wusste nicht, was er von dieser Geschichte halten sollte. Seine Eltern hatten ihm beigebracht, dass alle Kinder Gottes gleich waren und ihre Hautfarbe keine Rolle spielte, aber der Rest der Welt schien ganz anders darüber zu denken. Bis vor einer Minute war er noch weiß gewesen und jetzt war er auf einmal zu einem Achtel schwarz. Er schämte sich deswegen nicht, aber er empfand ein tiefes Unbehagen, denn sein Selbstbild war plötzlich ins Wanken geraten.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, sagte Tims Vater: »Hör gut zu, Sohn, ich bin mein ganzes Leben als Weißer durchgegangen, und du bist ein noch hellerer Typ als ich. Niemand wird darauf kommen, dass du Negerblut in dir hast. Wenn du erwachsen bist, kannst du dich entscheiden, es den Leuten zu sagen oder auch nicht, aber jetzt bist du noch zu jung, um diese Entscheidung zu treffen, also behalte es vorerst für dich. Wenn du es den Leuten sagst, wirst du es allerdings nicht mehr so einfach im Leben haben.Aber vielleicht solltest du’s trotzdem sagen. Ich weiß nicht, was besser ist.«
»Ja, Sir«, sagte der junge Tim Granger. Dann stand er auf, um aus dem Wohnzimmer zu gehen.
»Aber eines solltest du wissen.«
»Ja, Sir?«
Sein Dad schaute lange das Foto an, bevor er sagte: »Ich verstecke es nicht, weil ich mich schäme. Ich schäme mich, weil ich es verstecke.«
Und Trinity hatte es nie jemandem erzählt, obwohl er sich, als er sich erst an den Gedanken gewöhnt hatte, nie wegen seiner Herkunft geschämt hatte. Wenn ihn jemand gefragt hätte, hätte er es nicht abgestritten. Aber niemand fragte. Die Welt hielt ihn für weiß und das war er auch … zu sieben Achteln wenigstens. Er hatte überlegt, es seiner Zwillingsschwester Iris zu sagen, die vom gleichen Blut war und auch weiß wirkte, aber er wollte sie nicht damit belasten und deshalb schwieg er.
Immer, wenn er an seinen Vater dachte, fiel ihm dieses Gespräch wieder ein. Und schon immer war er der Meinung gewesen, dass sein Vater sich aus dem falschen Grund geschämt hatte. Ob es nun wegen seiner Herkunft war oder weil er sie verschwieg, das war Trinity egal.
Aber die Armut, die war ihm nicht egal. Die Armut war das wirklich Beschämende.
Sie suchte ihn im Schlaf auf, in einem friedlichen Traum. Er lag im Schatten der großen Magnolie auf einem Bett aus Muschelkies und sie kam zu ihm als ebenholzschwarze Yoruba-Göttin.
»Tut es weh?«, fragte sie.
»Überhaupt nicht.«
»Es wird aber wehtun.«
Er wollte ihr glauben. Wollte seine Rechnung begleichen, den vollen Preis für seine Sünden zahlen und reingewaschen werden.
Aber er hatte Angst zu sterben.
»Jeder muss sterben, Tim«, sagte sie.
Sie kann also meine Gedanken lesen
…
»Du liest auch die meinen«, sagte sie, und er merkte, dass sich ihre Lippen nicht bewegten.
Heilige Scheiße, Telepathie.
Dann verstand er mit einem Mal.
Ich hab’s! Ich hab’s! Du bist Gott …
Sie lächelte mitleidig. »Ja, aber du bist es auch. Ich bin Gott, du bist Gott, Danny ist Gott und dein Steuerprüfer ist auch Gott. Jeder ist Gott. Ich hoffe, du wirst dir dieses Wissen zu eigen machen, bevor du mit allem fertig bist.«
Ich hätte dir ja fast geglaubt, bis du den Mann vom Finanzamt erwähnt hast …
»Du musst die Sache ernst nehmen. Etwas Schreckliches wird morgen passieren. Schau mich an, Tim.«
Also setzte er sich auf und schaute … und was er sah, gefiel ihm. Eine schwarze Frau – oder zumindest so schwarz, wie er weiß war –, ihre Züge erzählten Geschichten von Nordafrika. Hohe Stirn,
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