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Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Titel: Die Trinity-Anomalie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Chercover
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befohlen hatte. Dann bewegte er sich Zentimeter für Zentimeter vorwärts, bis seine Schuhspitzen über den Felsrand hinausragten.
    Er schaute geradewegs in den Abgrund und das Kribbeln begann. Dann breitete er die Arme aus und blieb so stehen. SeineBein- und Rumpfmuskeln zuckten, während er sich gegen die Windböen stemmte.
    Er beugte sich mit dem ganzen Oberkörper vor …
    Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: »Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: ›Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.’«
    Adrenalin brandete ihn ihm auf, seine Nerven waren wie elektrisiert. Er blieb in dieser Position stehen, suchte nach dem Gleichgewichtspunkt – dem Punkt, an dem er nach vorn kippen würde –, fand ihn und wankte ein paar Sekunden lang auf seinen Fußballen hin und her.
    Er stellte sich vor zu fallen.
    Wie im Traum vom Fallen, aus dem man auf der Schwelle zum Schlaf ruckartig erwacht.
    Abrupt schnellte er vom Felsrand zurück und holte ein paarmal tief Luft.
    Die Sonne war auf den Horizont gesunken. Es war Zeit zu gehen.

43
    Conrad Winter saß bei einem Drink in der Bar des Westin Peachtree. Er wartete auf eine SMS, die schon fünfzehn Minuten überfällig war, und fragte sich, ob er sich nicht verkalkuliert hatte und ob er überhaupt eine Nachricht bekommen würde. Sein Handy klingelte. Keine SMS, sondern laut Display ein Anruf vom Amt des Advocatus Diaboli.
    »Nick«, sagte Conrad und legte ein Lächeln in seine Stimme, »was für eine angenehme Überraschung. Was kann ich für Sie tun?«
    »Als Erstes können Sie mal das Geschleime abstellen. Ich habe schreckliche Neuigkeiten aus Nigeria.«
    »Ja, ich habe es auch gehört«, sagte Conrad. »Traurige Geschichte. Das arme Mädchen. Fahrerflucht, wie ich gehört habe.«
    »Und Sie profitieren davon.«
    »Ihr ganzes Land profitiert davon«, entgegnete Conrad. »Die Einheimischen feiern das Mädchen. Sie glauben, sie sei zu gut für diese Welt gewesen, sie sei von Gott gesandt worden und er habe sie wieder zu sich geholt. Tausende wenden sich vom radikalen Islam ab und kommen zu uns.«
    »Dafür werden Sie in der Hölle schmoren, Conrad.«
    Conrad wurde ganz steif. »Ach, das ist doch absurd. Ich weiß, so manches, was wir von der Weltmission tun, ist den Akademikern vom Amt des Advocatus Diaboli zuwider, aber Sie können doch
unmöglich
annehmen, dass ich den Mord an einem Kind billigen würde.« Er nahm einen großen Schluck von seinem Drink.»Vielleicht komme ich ja wirklich in die Hölle, Nick, aber nicht für diese Sache, mit der ich selbstverständlich – 
selbstverständlich
 – 
nichts
zu tun habe. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt. Es war ein tragischer Unfall. Bei der derzeitigen Situation in Nigeria kann ich nicht behaupten, dass es mir leid tut – und ich will überhaupt nicht abstreiten, dass es sehr gelegen kam –, aber deshalb bin ich noch lange kein Ungeheuer. Und wenn Sie mir nicht glauben, wenn Sie
wirklich
meinen, ich hätte etwas damit zu tun, schlage ich vor, Sie melden die Angelegenheit Kardinal Allodi.
Arschloch

    Conrad unterbrach die Verbindung, legte das Handy auf die Theke und nahm sein Glas in die Hand, von Traurigkeit überwältigt. Die Stigmata des nigerianischen Mädchens würden nun für immer als Wunder gelten. Dazu brauchte es die offizielle Anerkennung des Vatikans nicht mehr. Daniel wollte das Wunder nicht bestätigen, also musste sie sterben. Traurig, aber wahr.
    Nein, es war nicht nur traurig, es war schrecklich, ungeheuerlich.
    Aber trotzdem notwendig.
    Vielleicht kam Conrad deswegen und wegen einiger anderer Vergehen tatsächlich in die Hölle. Aber die Welt befand sich im Krieg, und das Schicksal der Menschheit stand auf Messers Schneide. Und Krieg gebiert Ungeheuer, auch auf Seiten Gottes. Also hatte er sich für diesen Weg entschieden, schon vor langer Zeit. Er hatte sich entschieden, ein Ungeheuer zu werden, hatte sich selbst der Hölle anheimgegeben. Um für Gott den Krieg zu gewinnen. Menschen wie Nick und Daniel würden das nie verstehen. Aber wenn der Krieg gewonnen war, würden sie sich bedanken.
    Und Conrad glaubte, wenn seine Zeit einmal kam, dann würde Gott ihm für seine Verdienste eine Dispens erteilen.
    Daran musste er einfach glauben.
    Nun, der Tod des Mädchens hatte die gewünschte Wirkung und konnte die Welle

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