Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Sie das nicht auch tun?«
    »Oh, Scheiße.« Kathy schaltete den Fernseher aus. »Ja, verdammt. Aber Sie wissen doch, dass es sowieso rauskommen wird.«
    »Aber ich sage nichts.«
    Julia war sich ihrer Heuchelei nur allzu bewusst. Sie hatte bereits gegen ihr Berufsethos verstoßen, als sie Daniel das Geld geschickt hatte, so wie er, als er zu ihr gekommen war, gegen seines verstoßen hatte.
    Aber wenn das Berufsethos mit der eigenen Moral in Konflikt gerät, dann stimmt irgendetwas mit dem Beruf nicht.

59
    Las Vegas
    William Lamech saß in seinem Privatjet und trank Perrier, während sein Pilot auf die Starterlaubnis wartete. Er griff zum Satellitentelefon der Gulfstream-Maschine und wählte die Nummer von Vito Carlucci, der in New Orleans bei allen lukrativen und illegalen Geschäften das Sagen hatte.
    »Vito, hier ist William. Weißt du noch, worüber wir geredet haben? Jetzt passiert’s … Er ist aufgetaucht und zur dir unterwegs … Ich bin noch in Las Vegas am Flughafen. In circa vier Stunden bin ich da. Stell ein Team deiner besten Leute zusammen. In sechs Stunden treffen wir uns alle im Hotel Monteleone. Wir machen der Sache ein Ende – und zwar sofort.«
    Er legte auf, hob den Hörer noch einmal ab und wählte Samson Turners Handynummer.

60
    Julia saß Anderson Cooper gegenüber und rückte das Mikrofon an ihrem Kleid zurecht, während ihr Gastgeber sie in seiner Sendung begrüßte.
    »Mein Produzent sagt mir, Sie hätten untersucht, ob das Trinity-Phänomen mit Quantenphysik zu erklären sei. Aber ich muss gestehen«, sagte Cooper lachend, »gestern Abend hatten wir Leonard Mlodinow in der Sendung, und so ganz verstehe ich es immer noch nicht.«
    Auch Julia fing an zu lachen. »In einem sind sich alle PhysikKoryphäen einig: Niemand versteht die Quantenphysik so ganz, was aber nicht heißt, dass es nur unverständliches Zeug ist.«
    »Können Sie es uns so erklären, dass wir es auch verstehen? Ich meine, ohne Paralleluniversen, Antimaterie oder Katzen, die gleichzeitig tot und lebendig sind?«
    »Ich weiß, vieles davon scheint dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen«, sagte Julia. »Aber der gesunde Menschenverstand sagt uns auch, dass die Sonne sich um die Erde dreht. Wir glauben zu sehen, wie die Sonne auf- und untergeht, dabei liegt das nur daran, dass die Erde sich um die eigene Achse dreht.« Sie rutschte auf ihrem Stuhl herum. »Und lange galt die Behauptung, die Erde drehe sich um die Sonne, als Ketzerei und wurde mit dem Tod bestraft. Die Grenze zwischen dem Bekannten und Unbekannten ist für die Wissenschaft ein gefährliches Gebiet. Betrachten wir es einmal so: Manche Tiere können nur schwarz-weißsehen. Man könnte vermuten, ihre Wahrnehmung der Welt wäre weniger ›real‹ als unsere, weil wir das ganze Farbspektrum sehen können. Aber das stimmt nicht. Vögel können darüber hinaus UV-Licht sehen. Und es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass Vögel das Erdmagnetfeld wahrnehmen können. Heißt das etwa, ihre Sicht der Welt ist ›wahrer‹ als unsere?« Sie lächelte. »Glücklicherweise hat die Evolution uns ein großes Gehirn geschenkt …«
    »Nicht jeder glaubt an die Evolution«, sagte Cooper.
    »Es glaubt auch nicht jeder, dass die Erde sich um die Sonne dreht.« Julia lächelte wieder. »Wie dem auch sei, der Mensch verfügt über ein großes Gehirn. Wir benutzen Maschinen und bedienen uns der Mathematik, um unser Wissen über das Universum über unsere direkte Wahrnehmung hinaus zu erweitern. Und die Theorien der Quantenphysik, so seltsam sie auch sein mögen, werden durch wissenschaftliche Experimente untermauert. Obwohl es paradox klingt, widerspricht die Reise durch die Zeit keinem Naturgesetz. Die Physik unterscheidet nicht zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nehmen wir zum Beispiel Wheelers Delayed-Choice-Experiment …«
    Tim Trinity legte neckisch die Hand ans Ohr. »Hast du das gehört? Das war das Geräusch von Millionen Zuschauern, die umschalten.« Er nahm einen Schluck aus einer Flasche Dixie-Bier. »Reich mir doch mal die Pizza, ja?« Daniel reichte ihm den Pizzakarton.
    Sie saßen auf ihren Betten in Zimmer 23 eines Motels am Ortsrand von Waynesboro in Mississippi. Der Fernseher war sicher mindestens dreißig Jahre alt, und das Bild hatte einen Rotstich, sodass Julia und Anderson Cooper aussahen, als hätten sie einen leichten Sonnenbrand. Aber das Bild an sich war sehr klar.
    Der Pick-up parkte versteckt hinter einem Müllcontainer