Die Trinity-Anomalie (German Edition)
hinter dem Motel und Waynesboro war nördlich genug, dass niemand sie hier suchen würde. Aber in diesem Motel würde sowieso niemand etwas suchen. Alle anderen Zimmer standen leer, die Matratzen waren wahrscheinlich noch älter als der Fernseher und die alte Frau im Büro war praktisch blind.
Hier waren sie bis zum nächsten Morgen relativ sicher.
Daniel leerte sein Bier, nahm eine neue Flasche aus dem Six-pack und wandte sich wieder dem Fernseher zu.
Julia sagte: »… also im Grunde ist bekannt, dass die Quantenphysik präzise Voraussagen –
perfekte
Vorhersagen sogar – über die Welt, in der wir leben, machen kann. Das Problem ist nur, die Quantenphysik beschreibt eine Welt, die mit der Welt, die wir mit bloßem Auge wahrnehmen, anscheinend unmöglich zu vereinbaren ist. Trotzdem sind diese Beobachtungen präzise, und in der Quantenwelt können Informationen rückwärts durch die Zeit reisen. Schon Albert Einstein sagte, die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sei nur eine hartnäckige Illusion.«
»In einem haben Sie allerdings recht: Es erscheint einfach unmöglich«, sagte Cooper.
»Ja, denn so, wie die Sonne sich scheinbar um die Erde dreht, genauso trügerisch ist unsere Alltagswahrnehmung der Zeit. Die Zeit ist nicht, was sie zu sein scheint.«
»Und was sagt uns das über das Trinity-Phänomen?«
»Irgendwie gelingt es Tim Trinity, die Zukunft vorherzusagen, und Millionen Menschen glauben, dass da Gott im Spiel ist. Aber wer weiß das schon? Es könnte sich auch um eine Falte in der Quantenwelt handeln, die wir plötzlich in unserer Welt wahrnehmen. Wir sollten dieses Phänomen aus allen Blickwinkeln beleuchten und den Fakten auf den Grund gehen, bevor wir voreilige Schlüsse ziehen.«
»Ein interessanter Punkt«, sagte Cooper. »Das erinnert mich an einen Ausspruch von Stephen Hawking. Er hat gesagt, Quantenphysik beweise nicht, dass es keinen Gott gibt, sondern dass Gott für die Existenz des Universums unnötig sei.«
Julia sagte: »Das passt durchaus auf diese Situation. Es
könnte
ein Gott hinter Trinitys Prophezeiungen stecken, es ist aber nicht
zwingend
.«
Tim Trinity sagte: »Das Kleid steht Julia wirklich gut.«
»Ja«, sagte Daniel, »das stimmt allerdings.«
»Darf ich dich was Persönliches fragen?« Trinity schüttelte seine leere Flasche, worauf Daniel ihm eine neue reichte.
Daniel lächelte, denn er wusste, was kam. »Ja, Tim, ich habe all die Jahre im Zölibat gelebt.«
»Abgesehen von der einen oder anderen Verabredung mit deiner rechten Hand natürlich.«
»Selbstredend.« Daniel starrte auf den Fernseher mit der rotgesichtigen Julia. Er sagte: »Es gibt da eine Geschichte über zwei Zen-Mönche. Die beiden gehen in die Stadt, um Gemüse zu kaufen. Unterwegs müssen sie durch einen Fluss waten. Das Wasser reicht ihnen bis zu den Oberschenkeln. Am Bachufer begegnet ihnen eine hübsche junge Frau in einem wunderschönen Seidenkleid. Einer der Mönche bietet ihr an, sie hinüberzutragen, und sie nimmt das Angebot an. Am anderen Ufer verabschieden sich die Mönche von dem Mädchen und laufen schweigend weiter. Nach etlichen Kilometern sagt der eine Mönch: ›Ich finde, was du da gemacht hast, war unrecht. Du weißt, Kontakt zu Frauen ist uns verboten.‹ Der andere antwortete: ›Ich habe sie abgesetzt, sobald wir am anderen Ufer waren. Aber warum schleppst du sie noch mit dir herum?‹«
Sein Onkel musste lächeln. »Ach, Sohn, du schleppst dieses Mädchen doch schon seit Jahren mit dir herum.«
»Stimmt«, sagte Daniel, während im Fernsehen Werbung für eine Pille gezeigt wurde, die einem, wann immer man wollte, eine Erektion bescherte. »Vierzehn Jahre.«
»Danny … ich wollte immer nur dein Bestes. Es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass das, was ich für unseren Lebensunterhalt machte, uns auseinanderbringen würde.«
»Stimmt«, sagte Daniel. Und ganz ohne Bitterkeit in der Stimme fügte er hinzu: »Denn du hattest immer nur Geld im Sinn.«
Trinity nahm einen Schluck aus der Flasche und nickte. »Stimmt auch wieder.«
Als die Werbepause vorbei war, erschien wieder Anderson Cooper, aber diesmal lief der Schriftzug SONDERMELDUNG am unteren Bildschirmrand entlang.
Cooper sagte: »Wir haben während der Werbepause etwas hereinbekommen …« Er sah ein paar Fotos durch und reichte sie Julia, aber die Kamera blieb auf ihm. »… CNN hat soeben Fotos des Reverend Tim Trinity erhalten. Sie kommen aus anonymer Quelle, scheinen
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