Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Schild mit der Aufschrift WILLKOMMEN IN MISSISSIPPI vorbeifuhren. »Bist du total übergeschnappt?«
»Ach, hör schon auf«, sagte Tim Trinity.
»Ernsthaft, bist du nicht ganz dicht im Oberstübchen? Du darfst auf keinen Fall auffallen. Kapierst du das denn nicht? Wie soll ich dein Leben schützen, wenn du dich vor einem Dutzend Camcordern präsentierst?«
»Kannst du nicht einfach aufhören davon? Zum x-ten Mal:
Es tut mir leid.
Okay? Ich dachte nur … Ich habe das Zelt gesehen und dachte, Gott will, dass ich beichte. Ich dachte … weißt du, ich habe am Samstag den Rest von meinem Koks im Waschbecken runtergespült. Aber am Sonntag sind die Stimmen nicht wiedergekommen und … ich dachte nur, vielleicht, wenn ich diesen Menschen die Sünden aus meiner Vergangenheit beichte … wenn ich einen falschen Propheten bloßstelle … ich dachte, dann kommen die Stimmen vielleicht schneller wieder.« Er schüttelte den Kopf und lächelte reumütig. »Früher habe ich es genossen, wenn die Stimmen verstummten … ein paar Tage hier und da … eine Wohltat, wenigstens für kurze Zeit. Und mir graute immer vor dem Moment, wo sie zurückkamen.« Er starrte aus dem Fenster. »Seltsam, wie sich die Dinge ändern …«
»Mindestens ein Dutzend Camcorder. Wahrscheinlich werden die Aufnahmen schon längst auf CNN gezeigt.« Daniel konzentriertesich wieder auf die Fahrbahn, und eine kurze Weile lang herrschte Schweigen.
Trinity musste lächeln. »Hast du gesehen, wie Preacher Bob die Situation gemeistert hat? Respekt. Er war total geschockt, aber als er eine Chance sah, hat er sofort reagiert. Er hat mit dem Halleluja so einen hypnotischen Rhythmus geschaffen und dann auch noch einen Sprechchor angestimmt. Ja, dieser Preacher Bob, der hat’s drauf. Ein wahrer Könner. Wenn er ein bisschen an seiner Show feilen würde, könnte er im Fernsehen ganz groß rauskommen.«
»Hör zu«, sagte Daniel, »wenn du erst in Sicherheit bist, kannst du dich mit Julia zusammensetzen und vor der ganzen Welt auspacken. Aber benutz doch mal deinen Verstand. Du hast gerade einen dicken, roten Punkt auf die Landkarte gemalt, auf halber Strecke zwischen Atlanta und deiner Heimatstadt. Du hast soeben der ganzen Welt dein Reiseziel verraten.«
»Ich weiß, ich habe Scheiße gebaut. Aber lass uns lieber überlegen, was wir jetzt machen.«
Er hatte recht. Daniel atmete erst einmal ruhig durch und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Er wägte ihre Möglichkeiten ab. »Jetzt denken natürlich alle, du wärst nach New Orleans unterwegs. Deshalb machen wir einen kleinen Umweg und fahren nach Norden. Und dann verkriechen wir uns über Nacht.«
»Und dann? Ich muss trotzdem noch ins French Quarter.«
»
Ich weiß
«, sagte Daniel in schärferem Ton als beabsichtigt. »Ich brauche Zeit zum Nachdenken. Falls ich einen genialen Einfall habe, sage ich Bescheid.«
Atlanta
Julia ging ins Büro, wo Kathy Reynolds hinter ihrem Schreibtisch stand und die Fernbedienung Richtung Fernseher hielt. Sie schloss die Tür hinter sich.
»Ich habe es schon gesehen«, sagte sie.
Kathy deutete mit dem Kopf auf den Fernseher. »Das hier aber nicht. Es ist nur aus einem anderen Blickwinkel gefilmt, aber das Band läuft länger.« Sie spulte bis zu dem Moment vor, wo die Menge anfing zu skandieren. Die Kamera wackelte, während die Menge nach vorn drängte, und dann sprang ein Mann auf die Bühne und packte Trinity am Handgelenk.
Daniel.
Kathy Reynolds hielt das Video an. »Wer ist das?«
»Ich, äh …«
»Behaupten Sie jetzt bloß nicht, Sie kennen diesen netten jungen Mann nicht. Ihr Gesicht spricht Bände. Und nachdem Sie gestern ausgeflippt sind, als die Leichen aus der Kirche gebracht wurden, nehme ich an, dass Sie ihn sehr gut kennen.«
Julia ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Ich darf nichts sagen.«
»Julia, diese Aufnahmen werden nach der nächsten Werbeunterbrechung gezeigt und dann wird die ganze Welt die gleiche Frage stellen. Es war seine eigene Entscheidung, vor die Kameras zu treten. Er hat sich selbst zu einem Teil der Story gemacht – freiwillig. Es ist nicht Ihre Schuld.«
»Ohne ihn
gäb’s
überhaupt keine Story, Kathy. Er ist damit zu mir gekommen, aber dafür musste ich ihm versprechen, ihn da rauszuhalten. Das bleibt
absolut
unter uns: Er ist mein geheimer Informant. Und wenn ich verspreche, meine Quelle zu schützen, dann halte ich mich auch daran.« Sie sah der Nachrichtenveteranin fest in die Augen. »Würden
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