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Die Trinity Verschwörung

Die Trinity Verschwörung

Titel: Die Trinity Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Cumming
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schau ich später noch mal vorbei. Reservier mir einen Tanz.«
    Als Gaddis sich umdrehte, um in den Park zu gehen, rammte er einen Touristen, der eine Kleinbildkamera um den Hals hängen hatte, versetzte dem Teleobjektiv einen Stoß und musste sich entschuldigen. » Sorry«, sagte er und fügte auf Deutsch hinzu: » Entschuldigen Sie.«

41
    Gaddis hatte das Kleine Café nach einem Foto im Phaidon-Wienführer ausgesucht, den ein Hotelgast im Frühstücksraum der Goldenen Spinne vergessen hatte. Das Foto vermittelte den Eindruck, dass es sich bei dem Café um den unauffälligen Treffpunkt handelte, nach dem er suchte, und dieser Eindruck schien sich bei einem Besuch am Franziskanerplatz am Samstagmorgen zu bestätigen. Der kleine, verkehrsberuhigte Platz, etwa einen halben Kilometer westlich des Radisson, hatte einen Brunnen in der Mitte, in dessen Wasser Spatzen planschten, und um den herum die Anwohner des Viertels in der Sonne saßen, Kaffee tranken und Zeitungen lasen. Das Kleine Café befand sich im Erdgeschoss eines frisch renovierten Eckhauses, wenige Meter von dem Brunnen entfernt. Es hatte zwei Eingänge: Der eine führte direkt auf den Platz, wo etwa ein halbes Dutzend Tische ordentlich aufgereiht standen, der Seiteneingang ging auf die abschüssige, mit Kopfstein gepflasterte Singerstraße hinaus.
    Gleich neben dem Seiteneingang befand sich eine einzelne Sitznische. In ihr richtete es sich Gaddis am Samstagabend um neun ein, weil sie ihm als idealer Ort für eine ungestörte Unterredung mit Wilkinson erschien: keine anderen Tische oder Sitzplätze in unmittelbarer Nähe, nur ein paar Pappkartons und leere Bierfässer. In einer Neuauflage seiner komplizierten Fahrt zum Estacio Sants in Barcelona hatte er auch zum Kleinen Café eine umständliche Route gewählt und versucht, durch die Verwendung dreier verschiedener Fortbewegungsmittel – Schusters Rappen, Taxi, U-Bahn – potentielle Verfolger abzuschütteln. Dafür hatte er fast eine Stunde gebraucht, aber jetzt war er immerhin sicher, dass ihm niemand auf den Fersen war.
    Bei dem Mann am Ausschank bestellte er ein Bier und wartete. Er hatte eine neue Jelzin-Biografie als Lektüre und ein Päckchen Zigaretten dabei und war zuversichtlich, dass Wilkinson auftauchen würde, sobald er auf der Hochzeit abkömmlich war. Aber Gaddis hatte nicht mit den vielen Gästen gerechnet, die ab halb zehn durch den Seiteneingang das Lokal zu füllen begannen. Offensichtlich war das Kleine Café eines der beliebtesten Lokale in Wien: Um zehn Uhr vermochte Gaddis von seinem Platz hinten in der Ecke den Eingang kaum noch im Auge zu behalten, obwohl er nur ein paar Meter von der Straße entfernt saß. Allein in dem tiefer gelegenen Bereich um ihn herum drängten sich um die dreißig Gäste, und er schätzte, dass im Hauptbereich des Lokals noch einmal doppelt so viele waren. Wenn Wilkinson jetzt hereinkam, bestand die Gefahr, dass Gaddis ihn verpasste.
    Er hätte sich keine Sorgen machen müssen. Als Gaddis um zwanzig nach zehn hochschaute, sah er Wilkinsons Kopf hinter dem eines korpulenten Wiener Geschäftsmanns mit Drahtbrille auftauchen. Er gab sich ihm mit einem Kopfnicken zu erkennen, und Wilkinson zwängte sich zwischen dicht stehenden Gästen hindurch, bis er vor der Nische stand, die Gaddis seit neun Uhr eisern verteidigte.
    » Lassen Sie mich raten«, sagte er. Sein Gewicht ließ den kleinen runden Tisch erzittern, als er sich setzte. » Sie haben nicht mit meinem Kommen gerechnet.«
    » Zumindest bin ich sehr froh, Sie zu sehen«, antwortete Gaddis.
    Es war nicht leicht, Wilkinsons Ausdruck zu deuten. In sein normalerweise teilnahmsloses Gesicht stand eine merkwürdige Verschmitztheit geschrieben. Wilkinson hatte den dunklen Anzug gegen braune Cordhosen, Oberhemd und einen Pullover mit V-Ausschnitt getauscht. Er zog dieselbe verbeulte Barbourjacke aus, die schon Zeuge des unangekündigten Besuchs von Christopher Brooke geworden war, und legte sie neben sich auf die Bank.
    » Sie haben Nerven, Doktor Gaddis. Man hat mich vor Ihnen gewarnt.«
    » Ach, ja?«
    » Gewisse Leute sehen es nicht gerne, wenn wir miteinander reden. Gewisse Leute befürchten, das könnte Ärger bringen. Wie komme ich hier an einen Whisky?«
    Er hatte den Verdacht, dass Wilkinson etwas angeheitert von den Festlichkeiten war. Statt ihn mit Vorhaltungen wegen des Anrufs neulich zu traktieren, schien der pensionierte Spion entspannt, ja sogar nachsichtig zu sein. Hatte er auf dem Weg hierher wohl

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